Berlin. Zum 1. März laufen fast alle Masken- und Testpflichten im Gesundheitssektor aus. Offen bleibt, ob das für den Pflegesektor zu verantworten ist.

Spätestens seit dem Wegfall der Maskenpflicht im Nah- und Fernverkehr Ende Februar sind Corona-Regeln für weite Teile der Gesellschaft passé. Nach fast drei Jahren Pandemie mit Lockdowns, Schulschließungen, Test- und Maskenpflicht liegt es von nun an im Ermessen jedes Einzelnen, wie er sich schützt.

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Doch ein Bereich war bislang davon ausgenommen: Mitarbeiter und Patienten von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen waren nach wie vor verpflichtet, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Auch Tests gehörten zur Tagesordnung. Am Mittwoch enden jedoch auch diese Vorschriften. Was bleibt, ist das verpflichtende Tragen einer Maske für Besucher beim Besuch von Praxen, Kliniken und Heimen.

Corona: In Pflegeheimen leben besonders vulnerable Gruppen

Insbesondere Pflegeheime waren in der Pandemie oft Corona-Hotspots. Laut Barmer-Pflegereport kam fast jeder zweite Corona-Tote in Deutschland aus einem Pflegeheim, wie die Rheinische Post berichtet. Der Anteil der Heimbewohner unter den Corona-Toten liegt demnach bei 45 Prozent.

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Die Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege hält das Auslaufen der Corona-Maßnahmen jedoch für vertretbar: „In nahezu allen anderen Lebensbereichen wurde die Maskenpflicht bereits aufgehoben, da ist ein Festhalten an der Maskenpflicht für die Bewohner und Bewohnerinnen an ihrem Lebensort mittlerweile auch wirklich nicht mehr vermittelbar“, sagte Claudia Moll (SPD) dieser Redaktion. Sie rechtfertigt das Auslaufen der Maßnahmen mit einer niedrigen Inzidenz und einer hohen Impfquote bei Pflegebedürftigen und Pflegern, wodurch es nur noch selten zu schweren Verläufen komme.

Claudia Moll (SPD) ist  Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung
Claudia Moll (SPD) ist Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung © imago/epd | imago stock

Es sei immer ein Abwägungsprozess, welche Maßnahmen nun die richtigen seien. „Natürlich muss bei einem Ausbruch konkret vor Ort entschieden werden, welche Maßnahmen kurzfristig reaktiviert werden müssen“, so Moll. Jedoch gelte das Recht auf Selbstbestimmung auch für die Bewohner in Pflegeeinrichtung.

Patientenschützer sehen Gefahr für vulnerable Gruppen

Patientenschützer dagegen kritisieren diese Strategie der Bundesregierung: „Selbst die letzten politisch festgelegten Corona-Regeln bleiben widersprüchlich“, sagte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz dieser Redaktion. „Absurd ist, dass Besucher in Pflegeheimen und Kliniken eine Maske tragen müssen, das Personal aber nicht.“

Der Patientenschützer verweist darauf, dass nicht nur Besucher, sondern auch Mitarbeiter wie Ärzte oder Pfleger das Corona-Virus in Einrichtungen tragen könnten. Dabei sei gerade der Schutz vulnerabler Gruppen bedeutend. „Bund, Länder und Experten haben in der Pandemie versäumt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das ist und bleibt die Sicherheit von alten, pflegebedürftigen und kranken Menschen.“ Brysch fordert stattdessen deutschlandweite und tägliche Tests für das Pflegepersonal.

Wegfall der Maßnahmen ist eine Erleichterung für Pflegekräfte

Zu einem anderen Urteil kommen diejenigen, die vor Ort arbeiten. „Wir unterstützen den Wegfall der Maßnahmen in Deutschland“, sagte etwa Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates, dieser Redaktion. Als Repräsentantin der Pfleger spricht sie sich dafür aus, die Expertise wieder denjenigen zu überlassen, die vor Ort sind. „Die Menschen, die im Gesundheitswesen in Deutschland arbeiten, sind kompetent genug, mit der Situation umzugehen“, so Vogler. Es sei ein Unterschied, ob zum Beispiel in Karnevalszeiten viele Krankheitskeime im Umlauf sind oder in einem Landkreis die Inzidenz bei null liegt. „Die Entscheidung, individuelle Hygieneschutzmaßnahmen zu ergreifen, weil es Situationen so erfordern, muss man den verantwortlichen Pflegenden wieder übergeben.“

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Dass flächendeckende Testungen im Gesundheitsbereich fallen, sieht Vogler ebenfalls als Teil einer „Normalisierung“. Stefan Werner, Vizepräsident des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, sieht Testungen ebenfalls überflüssig. „Wenn wir diese Frage der Teststrategie stellen, dann müsste man andersrum auch fragen: Warum gibt es diese Teststrategie in Grippe-Zeiten nicht allgemein für die Influenza?“, so Werner gegenüber dieser Redaktion. Viele Coronaausbrüche in Pflegeheimen seien zuletzt nur durch Testungen überhaupt erst bemerkt worden.

Den Wegfall der Maskenpflicht sieht Vogler ebenfalls positiv. „Bei den Bewohnern von Pflegeheimen ist es schon lange überfällig, dass sie die Masken abnehmen können - das ist ihr Lebensraum.“ Auch sei die Interaktion zwischen Pflegern und Pflegebedürftigen durch die Maske stets gehemmt worden. „Wir sehen das auch als Entlastung für die Kolleginnen und Kollegen, die seit drei Jahren die Masken tragen, während sie der Rest der Bevölkerung schon lange an vielen Stellen abgelegt hat.“

Die Pflege ist seit der Corona-Pandemie am Limit

Vogler bezieht sich damit auch auf die grundsätzliche Situation in der Pflege, die sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verschärft hat. Nach Angaben des Pflegereports der Barmer sagten 70 Prozent der Pflegekräfte, dass sie oft körperlich erschöpft sind. „Wir haben von Anfang an kritisch angemerkt, dass die Gesellschaft sich entsolidarisiert hat mit dem Gesundheitswesen, nachdem sie geklatscht hat“, so Vogler. „Nachdem uns so viel Wertschätzung im ersten Jahr entgegen gekommen ist, haben wir uns doch sehr gewundert, wie schnell vergessen wurde, dass man eigentlich als Gesellschaft Verantwortung übernehmen müsste. Die Diskussion um die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat das deutlich kommentiert.“