Berlin. Wie bewältigt Deutschland die Krise? Das Entlastungspaket lässt noch einige entscheidende Fragen offen, kommentiert Theresa Martus.

13 Din A4-Seiten sind nicht besonders viel Platz, erst recht nicht, wenn man auf diesem Platz erklären will, wie man mit einem zweistelligen Milliardenbetrag die größten Härten der heftigsten Energiekrise seit der Wiedervereinigung abfedern will.

Man kann den Ampel-Parteien also nachsehen, wenn die Pläne des dritten Entlastungspakets nicht bis ins letzte Detail ausbuchstabiert sind. Aber ein bisschen konkreter hätte es an der einen oder anderen Stelle dann doch sein dürfen. Denn die Beschlüsse vom Wochenende lassen auch zu Beginn der Woche noch einige entscheidende Fragen offen.

Entlastungspaket: Was folgt auf das 9-Euro-Ticket?

Da ist zum Beispiel die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets, die 49 Euro kosten könnte oder 69 Euro oder irgendwas dazwischen – vorausgesetzt, die Länder spielen mit. Sicher ist das nicht, wie die ersten Wortmeldungen aus den Landeshauptstädten am Montag deutlich machten.

Noch mehr Fragezeichen bleiben bei der geplanten Strompreisbremse: Wer ab wann wie viel verbilligten Strom bekommt und wie viel dieser dann pro Kilowattstunde kosten soll, steht in den Sternen. Wie genau sich die Ampel das Geld für die – ohne Frage nötigen – Senkungen der Stromrechnungen von den Produzenten holen will, ist auch noch nicht klar. Nicht einmal, wie viel Geld es da im Moment tatsächlich zu holen gibt, lässt sich derzeit mit Sicherheit sagen, wie Ökonomen anmerken. Lesen Sie hier: Wissenschaftler warnt – "Makroökonomischer Schock droht"

Theresa Martus, Politik-Korrespondentin
Theresa Martus, Politik-Korrespondentin © Reto Klar | Reto Klar

Das Prinzip, einen Sockelbedarf zu bezahlbaren Preisen verfügbar zu machen, und darüber hinaus den Markt Preise setzen zu lassen, die das Energiesparen attraktiv machen, ist schlüssig. Doch die Umsetzung in einem eng verflochtenen, europäischen Strommarkt ist kompliziert, das Risiko von unbeabsichtigten Folgen ist hoch.

Strom: Pläne sind mehr Skizze als Blaupause

Und wie schnell gut gemeinte Eingriffe in komplexe Systeme nach hinten losgehen können, dürfte nicht nur Robert Habeck, sondern auch allen anderen Mitgliedern der Bundesregierung noch gut in Erinnerung sein. Unter anderem der hohe Zeitdruck, unter dem die Neufassung des Energiesicherungsgesetzes entstand, sorgte dafür, dass die Regierung Fallstricke bei der Gasumlage erst übersah und dann prompt hineinlief.

Dass die Pläne im Strombereich derzeit noch mehr Skizze als Blaupause sind, liegt wohl auch daran, dass die Koalitionäre lieber nicht in einer Nachtsitzung Dinge festzurren wollten, die zu einem vergleichbaren Misserfolg führen könnten.

Gas: Ampel-Koalition läuft die Zeit davon

Ausgerechnet beim knappen, teuren Gas bleibt die vielleicht größte Leerstelle des dritten Entlastungspakets: Während im Strombereich zumindest Umrisse eines Entlastungsplans da sind, ist die Frage nach den Gaspreisen so heikel, dass man sie lieber vertagt hat. Eine Expertenkommission soll klären, ob ein Grundkontingent, wie es beim Strom angedacht ist, auch dort eine Option wäre und wenn ja, wie. Doch der Winter steht vor der Tür, und viel Zeit bleibt den Regierungsparteien nicht, um Lösungen zu finden.

Mehr zum Thema:

Und noch eine wichtige Frage ist offen. Um Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, wollen SPD, Grüne und FDP die eigentlich geplante Erhöhung des deutschen CO2-Preises zum Jahreswechsel verschieben, ein klimapolitisches Signal, das Expertinnen und Experten scharf kritisieren.

Die aktuell hohen Gewinne von erneuerbaren Energien – ebenso „zufällig“ oder „übermäßig“ wie die hohen Gewinne aus fossilem Strom – sollen abgeschöpft werden, und gleichzeitig soll mehr Kohlestrom ans Netz. Wie all das zusammenpasst mit dem Anspruch, das Klima ernsthaft zu schützen – auch das wird die Ampel früher oder später beantworten müssen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de