Berlin. Deutschland droht eine Energiekrise. Viele Städte und Kommunen reagieren nun mit Maßnahmen, um Strom und Gas zu sparen. Eine Übersicht.
Ganz Deutschland bereitet sich auf eine drohende Energiekrise vor. Die steigenden Strom- und Gaspreise steigen infolge der deutschen Energiepolitik der letzten Jahre und des Ukraine-Krieges bereits jetzt stark an. Während sich private Haushalte in erster Linie um die Preisentwicklung sorgen dürften, reagieren viele Städte und Bundesländer inzwischen bereits mit konkreten Maßnahmen, um Energie zu sparen und sich vorzubereiten.
Selbst der deutsche Bundestag kündigte an, entsprechende Veränderungen im Gebäude durchzusetzen. Anfang Juli hatte der Ältestenrat entschieden, dass die Klimaanlagen in den Regierungsgebäuden nicht mehr auf 24 bis 26 Grad, sondern nur noch auf 26 bis 28 Grad kühlen sollen. Davon betroffen sind etwa der Plenarsaal, die Fraktions- und Ausschussitzungssäle.
Im Winter dagegen sollen die Büroräume für die Abgeordneten, ihre Mitarbeitenden und die Bundestagsverwaltung nur noch auf 20 statt wie bisher auf 22 Grad geheizt werden. Zudem kümmern sich die Techniker und Technikerinnen ab Ende Juli um eine reduzierte Beleuchtung des Gebäudes bei Nacht, erklärte der Bundestag. Ist die Reichstagkuppel für Besucherinnen und Besucher geschlossen, sollen auch die Lichter ausgehen.
Inzwischen haben auch andere Behörden in verschiedenen Teilen Deutschlands damit begonnen, die energiesparenden Strategien umzusetzen. Eine Übersicht.
Berlin:
Neben dem Bundestag will auch der Senat in der deutschen Hauptstadt Energie sparen: So sollen in Berlin mehrere Wahrzeichen und öffentliche Gebäude vorerst nicht mehr beleuchtet werden. Mehrere der insgesamt 200 beleuchteten Berliner Bauwerke stehen nachts künftig im Dunkeln, unter anderem die Siegessäule, der Berliner Dom oder das Rote Rathaus am Alexanderplatz.
"Angesichts des Krieges gegen die Ukraine und der energiepolitischen Drohungen Russlands ist es wichtig, dass wir möglichst sorgsam mit unserer Energie umgehen", teilte die grüne Umweltsenatorin Bettina Jarasch mit. "Das gilt auch und gerade für die öffentliche Hand."
Für die Beleuchtung seien circa 1400 Strahler in Betrieb, heißt es in der Mitteilung aus Berlin weiter. Die Stromkosten beliefen sich auf circa 40.000 Euro pro Jahr. Allerdings will die Senatsverwaltung nicht alle Beleuchtungen sofort abschalten, sondern nach und nach innerhalb von drei bis vier Wochen.
Bayern:
In Bayern reagierten Städte und Kommunen mit unterschiedlichen Entscheidungen auf den Aufruf der Bundesregierung zum Energiesparen. Anfang Juli kündigte die Stadt Augsburg an, wie Berlin die Beleuchtung an historischen Bauten ab- und die Straßenbeleuchtung herunterzuschalten.
Auch der Betrieb der Stadtbrunnen soll nur noch eingeschränkt laufen, besonders "energiefressende" Brunnen will Augsburg sogar ganz abschalten. Im Herbst dreht Augsburg in städtischen Gebäuden die Heizungen um ein paar Grad herunter. Zudem senkt die Stadt die Wassertemperaturen in den Frei- und Hallenbädern.
Nürnberg reagierte drastischer und schloss drei von vier Hallenbädern am 16. Juli sogar ganz. Weniger heizen wollen auch Würzburg, Regensburg und Passau. Die niederbayerische Stadt will bis zum 1. August weitere Vorschläge zur Energiereduktion sammeln.
Energiekrise in Bayern: München setzt auf Kohle und Öl
Die Landeshauptstadt München hat den Wärmeverbrauch in städtischen Häusern durch bauliche Maßnahmen nach eigenen Aussagen schon in der Vergangenheit reduziert. In der aktuellen Krise setzt die Stadt auf Kohle und Öl.
Der Kohleblock der Heizkraftwerks Nord soll vorerst weiterlaufen und eventuell seine Produktion ausweiten, die Umstellung auf Gasbetrieb wird verschoben. In anderen Kraftwerken reaktiviert München zwei stillgelegte Ölbrenner.
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In der Stadtverwaltung gibt es bald zudem kein warmes Wasser mehr, wie der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei der Vorstellung eines Energiesparpakets erklärte. Flure und nicht genutzte Büroräume sollen nicht mehr geheizt werden, der Rest nur noch auf 19 Grad. "Wir alle sind aufgefordert, unseren Beitrag zu leisten", so Reiter.
Nordrhein-Westfalen:
Auch Nordrhein-Westfalen reagiert mit eingeschränkter Beheizung und Beleuchtung, reduzierten Klimaanlagen und Brunnen-Aktivitäten sowie Warmwasser-Verzicht in Rathäusern, Museen und Sportstätten. Das teilte der NRW-Städtetag mit.
Die Kommunen sollen zudem in Erwägung ziehen, schneller auf LED umzurüsten und in der Heizperiode möglicherweise sogar die Temperaturen in Schulen herunterzudrehen. Letzterer Vorschlag sorgte allerdings zunächst für Diskussionen. Die Landesregierung kündigte Anfang Juli ebenfalls energiesparende Maßnahmen beim Heizen und Klimatisieren an, wollte die Möglichkeiten in ihren Räumen aber zunächst prüfen.
Konkretere Vorschläge gab es dabei bereits aus den Städten: Aachen, Köln und Essen wollen bei der Beleuchtung Energie sparen, Wuppertal und Münster schränken im Bereich der Hallenbäder ein (Öffnungszeiten oder Wassertemperatur), Hilden stellt in Schulen und Turnhallen bis September die Heizungen aus und schränkt die Warmwasserversorgung ein.
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Niedersachsen:
In Niedersachsen präsentierte Hannover um Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) Ende Juli einen ausgiebigen Plan, mit dem die Stadt den Energieverbrauch um 15 Prozent senken will. "Wir haben ganz unterschiedliche Maßnahmen: die Beleuchtung von Gebäuden, die Freibäder und das Nicht-mehr-Heizen mit Gas oder auch das Kaltstellen der Duschen", so Onay gegenüber dem NDR. Bedeutet: kalt duschen in Sport- und Schwimmhallen. Auch die städtischen Brunnen will Onay ausschalten.
In Oldenburg sollen die Energieeinsparungen im Winter als Reserven dienen. Die Stadt will die Erdgasbusse reduzieren und prüfen, inwieweit Temperaturreduzierungen an Schulen möglich sind. Die Stadt Braunschweig sorgt neben den energiesparenden Maßnahmen auch für eine Vorbereitung auf den Ernstfall und beschafft Holz, Kohle und Öl als Ersatz für möglicherweise ausbleibendes Gas.
Der Landkreis Harburg versorgt jetzt schon alle öffentlichen Gebäude mit Ökostrom aus Photovoltaikanlagen, will sich dem NDR zufolge aber ebenfalls um Ersatz und weitere Einsparungen kümmern. Die Stadt Wolfenbüttel und der Landkreis Peine reduzierten die Wassertemperatur in öffentlichen Schwimmbädern.
Hessen
Hessen kündigte ebenfalls an, als Reaktion auf die Folgen des Ukraine-Krieges ab sofort Energie in den Gebäuden der Landesverwaltung zu sparen. Mit dem Maßnahmen-Mix könnten in der kommenden Heizperiode von Oktober bis April bis zu 15 Prozent eingespart werden, sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU).
Die Liegenschaften des Landes, zu denen Finanzämter, Polizeistationen und Hochschulen zählen, nutzen Rhein zufolge im Jahr genauso viel Wärme wie etwa 30.000 Einfamilienhäuser. Rund 45 Prozent der Landesverwaltung würden mit Fernwärme geheizt, 50 Prozent aber noch mit Gas.
In den kalten Monaten will Hessen die Raumtemperatur daher auf 20 Grad senken und warmes Wasser fürs Händewaschen abstellen. Zudem will das Land Klimaanlagen drosseln.
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Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein wählen die Städte besonders drastische Schritte, um Energie einzusparen: Wie die "Kieler Nachrichten" berichten, sagt die Stadt Rendsburg die Eisbahn beim diesjährigen Weihnachtsmarkt ab. Die Kühlaggregate verbrauchen zu viel Strom. Auch in Kiel sagte die Stadt das Eisfestival in der Innenstadt aus diesem Grund ab. In Neumünster werden ähnliche Schritte noch debattiert.
Möglicherweise ziehen andere Städte und Kommunen noch mit anderen Maßnahmen nach: In vielen Bundesländern diskutieren die Verwaltungen die drohende Energiekrise stetig und prüfen mögliche Wege, ihre Folgen abzuwenden. (reba, mit dpa)