Berlin. Wer seinen Urlaub nachhaltig gestalten möchte, muss nicht aufs Fliegen und auf Fernreisen verzichten. Worauf man aber achten sollte.

Die Reiselust der Deutschen kehrt zurück. Nach entbehrungsreichen Corona-Zeiten suchen die Menschen wieder das Abenteuer und die Erholung am Strand, in den Bergen, an Seen, in Städten oder sind mit dem Wohnmobil oder Caravan auf Tour. Angesichts der Wetterextreme, Dürren und Überschwemmungen infolge des Klimawandels, versuchen jedoch immer mehr, möglichst umweltschonend und nachhaltig zu reisen. Allerdings ist dies nicht immer einfach.

Die größte Hürde für nachhaltiges Reisen beginnt mit der Anreise. Die Wahl des Verkehrsmittels entscheidet grundlegend darüber, wie nachhaltig ein Urlaub ausfällt. „Vermeiden Sie Flugreisen und Kreuzfahrten, bevorzugen Sie Reiseziele in der Nähe“, empfiehlt das Umweltbundesamt allen, die einen nachhaltigen Urlaub planen. Denn die stärksten Umweltbelastungen ergeben sich aus der Wahl des Transportmittels.

Urlaub: Besonders schädlich sind Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge

Fernreisen und Flugreisen ins europäische Ausland stehen damit praktisch auf dem Index. Wer dennoch exotische Kulturen, fremde Länder und Menschen auf anderen Kontinenten kennenlernen möchte, sollte nicht nur für einen Kurztrip in die Ferne reisen, sondern den Fernflug mit einem längeren Aufenthalt verbinden. „Der Shoppingtrip nach New York übers Wochenende ist unter Klimaschutzgesichtspunkten kaum noch vertretbar“, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig.

So verursacht ein Flug von Deutschland auf die Kanarischen Inseln und zurück pro Person einen Ausstoß von rund 1800 Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid (C02). Bei vier Personen sind das 7,2 Tonnen CO2. Mit einem voll besetzten Mittelklassewagen kann eine Familie dafür rund 45.000 Kilometer weit fahren, rechnet das Umweltbundesamt vor.

Schlecht fällt die Bilanz auch für Kreuzfahrtschiffe aus. Sie stoßen auf ihren Fahrten genauso viele Schadstoffe aus wie fünf Millionen Autos auf derselben Strecke, hat der Naturschutzbund (Nabu) ausgerechnet.

Wer sein schlechtes Gewissen für die hohen Klimaemissionen zumindest etwas wieder gut machen möchte, kann seinen schädlichen ökologischen Fußabdruck durch eine freiwillige Kompensationszahlung ausgleichen. Diese bieten alle Airlines und Kreuzfahrtveranstalter bei der Buchung an. Mit dem eingesammelten Geld werden Klimaschutzprojekte unterstützt, mit denen wiederum Treibhausgase gebunden werden.

Nachhaltig Reisen: Bahn fahren oder im Auto zu mehreren reisen

Urlauber, die ein Reiseziel in der Nähe auswählen und dazu noch mit der Bahn anreisen, befinden sich bereits auf einem guten Weg zur Nachhaltigkeit. Das Gute: In Deutschland und angrenzenden europäischen Ländern lassen sich viele attraktive Naturregionen und Sehenswürdigkeiten entdecken. Als besonders klimafreundlich gelten Wanderungen, Kanu- oder Fahrradtouren.

Wer zudem nicht allein im Auto, sondern mit Freunden, Familie oder sonstigen Mitfahrern reist, beschert dem Klima noch mehr Gutes – erst recht, wenn man mit dem E-Auto unterwegs ist.

Auch wenn viele Menschen sagen, gerne umweltfreundlich reisen zu wollen, klafft heute noch eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. „Nach einer Umfrage ist es 68 Prozent der Menschen wichtig, nachhaltig zu reisen, aber im Alltag setzen es tatsächlich nur rund vier Prozent um“, berichtet der Vizepräsident des Reiseverbands, Ralf Hieke.

Urlaub: In vielen Ländern gibt es nachhaltige Reiseziele

Gleichzeitig sei es auch manchmal schwierig, echte Nachhaltigkeit zu erkennen. „Zwar sind mitunter viele Hotels zertifiziert, jedoch fehlt noch häufig die Sichtbarkeit dieser Zertifikate und die Transparenz der entsprechenden Kriterien“, berichtet Hieke. Die Reisebranche setzt zunehmend auf nachhaltige Angebote und arbeitet mit nachhaltig handelnden Partnern zusammen. Schon heute bieten Reisebüros und Plattformen nachhaltige Reisen an. Geplant sei, künftig auch den CO2-Fußabdruck bei jeder Reise anzugeben.

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Typische nachhaltige Reiseziele gibt es in der Nähe und Ferne. „Oft handelt es sich um Länder und Regionen, die viel Natur zu bieten haben und speziell ihr Ökosystem auch als Kapital verstehen. Dazu zählen unter anderem Costa Rica, Island oder Südtirol, aber auch deutsche Inseln wie Juist“, zählt Hieke auf. Für den Reiseverbands-Vizechef sind Reisen aber auch kulturell wichtig. „Man muss die Welt sehen, um sie zu verstehen. Dazu gehören auch Reisen ins Ausland und Fernreisen.“

Soziale Nachhaltigkeit im Urlaub: Einkaufen bei lokalen Händlern

Entscheidend für nachhaltiges Reisen sei deshalb auch die soziale Nachhaltigkeit. „Wichtig ist, dass sich Reisende respektvoll gegenüber den Einheimischen verhalten und dort für Wertschöpfung sorgen“, meint Hieke. Der Tourismus sei weltweit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. „In manchen Ländern – auch im globalen Süden – werden dadurch viele Arbeitsplätze gesichert, was zugleich für Stabilität, Entwicklung und mehr Wohlstand sorgt.“ Urlauber könnten die Bevölkerung unterstützen, indem sie am Urlaubsort einkaufen oder in lokalen Restaurants essen.

Die Reisebranche hat erkannt, dass sie Teil des Problems ist, will deshalb umso mehr aktiver Teil bei der Lösung des Klimawandels sein. „Auch wir als Reisewirtschaft können, und wir müssen, deutlich mehr tun. Wichtig ist hierbei, relativ zeitnah zu einer CO2-neutralen Mobilität zu kommen“, sagt DRV-Präsident Fiebig.

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Konkret heiße dies, so Fiebig, dass Flugzeugflotten modernisiert und E-Fuels – also synthetische Kraftstoffe aus nachhaltigem Strom – eingesetzt werden. Flugrouten müssten optimiert werden. Klar sei aber auch, dass Fliegen dauerhaft nicht so billig bleiben dürfe. „Flüge für 10, 20 oder 30 Euro – das geht gar nicht“, meint Fiebig. Reisen in Europa sollten nicht unter dem Preis von Steuern, Abgaben und Gebühren angeboten werden. „Reisen ist ein wertvolles Gut – und das muss sich auch in einem angemessenen Preis widerspiegeln.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.