Kunstpause Frank Quilitzsch hält den kulturellen Lockdown für fahrlässig.

Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten: Am Wochenende gab es an den Thüringer Theatern mehrere Premieren. Die Sänger, Musiker und Schauspieler hatten wochenlang dafür geprobt und wurden mit enthusiastischem Beifall belohnt. Dann fiel der Vorhang. Nicht nur für diesen Abend, sondern für die nächsten Wochen. Keine Aufführungen mehr. Zurück in die Isolation. Zurück ins Nichts, das mit Lockdown noch euphorisch umschrieben ist.

Nicht nur die Künstler, auch die Mitarbeiter der Theater sind zum Däumchendrehen verdammt. Dabei haben sie alles getan, um wirksame Hygienekonzepte zu entwickeln. Maskenpflicht und Abstände sind gewährleistet. Eine ausgeklügelte Ticketvergabe verhindert den Kontakt zwischen fremden Haushalten.

Ja, die Pandemielage ist dramatisch. Ja, das höchste Gebot lautet, Menschenleben zu schützen. Aber gerade deshalb sind keine Schnellschüsse, sondern Maßnahmen mit Augenmaß und Perspektive erforderlich. Hat sich je ein Theater- oder Museumsbesucher mit dem Virus infiziert? Die Ansteckung ist dort wohl eher geistiger Natur und gewollt. Ja, sie ist dringend nötig. Niemand reißt sich in einer Ausstellung die Maske vom Gesicht. Partygesänge wurden im Theater noch nicht vernommen. Man bewegt sich vorsichtig, die Jungen respektieren die Älteren.

Theater, Konzerthäuser und Museen schlicht der „Unterhaltungsbranche“ zuzuordnen, sagt einiges über das geistig-kulturelle Selbstverständnis unserer Regierung. Als würden die Besucher nur bespaßt und bei Laune gehalten! Die Theater halten den Gesellschaftsdiskurs am Laufen. Die Museen hüten unser kulturelles Gedächtnis. Diese de facto für nicht systemrelevant zu erklären, ist fahrlässig.

Und soll das etwa so weitergehen? Vorhang auf und Vorhang zu? Die Pandemie wird uns voraussichtlich noch ein, zwei Jahre beschäftigen. Wieso gibt es noch immer kein Konzept, wie wir damit leben? Ich betone: leben.

Dass der den rasant ansteigenden Infektionszahlen geschuldete Lockdown pauschal über alle Kultureinrichtungen verhängt wurde, ist ein geistiges Armutszeugnis. Eine Kapitulation vor der Verantwortung für eine freie Gesellschaft.