Gera. Der Geraer Künstler Wolfgang Schwarzentrub war von Kindheit an Zeitzeuge des Uranerz-Abbaus im Ostthüringer Revier. Seine Bilder spiegeln die Ambivalenz des Themas wider.

Die markanten Spitzkegelhalden bei Ronneburg, Europas größter Tagebau in Lichtenberg – als Wolfgang Schwarzentrub 1954 in Gera geboren wurde, war gerade aus der Wismut AG die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut geworden. Sie war bis 1990 einer der weltweit größten Uranproduzenten. Seitdem ist das bundesdeutsche Nachfolgeunternehmen Wismut GmbH mit der Sanierung und Rekultivierung der Hinterlassenschaften beschäftigt.

Als Kind hat Wolfgang Schwarzentrub die riesigen Kipper bewundert, deren Fahrer vor dem Schweizerhaus in Kaimberg hielten. Er erinnert sich an die Besuche beim Schneider in Gessen, der die Hosen des Heranwachsenden kürzte, und dessen tragisches Schicksal nachdem der Ort durch den Haldenrutsch unbewohnbar wurde. Viele seiner Klassenkameraden zog es nach der Schule zur Wismut, die mit überdurchschnittlicher Bezahlung und zahlreichen Privilegien lockte.

Wolfgang Schwarzentrub lernte Werkzeugmacher, studierte Museologie, arbeitete in der Kunstsammlung Gera und wurde freischaffender Künstler. Er ist nie in einen der Ostthüringer Schächte eingefahren. Den riesigen Tagebau Lichtenberg hat er erst im Zuge der Sanierung gesehen, doch seit den 80er-Jahren treibt ihn als Maler um, welche Spuren der Bergbau in seine Heimat gegraben hat. Über knapp vier Jahrzehnte hat er diese Spuren kleinformatigen Bildern festgehalten.

Unter Tage noch mal nachschauen und ins Gespräch kommen

Heute wirken sie wie Skizzen zum monumentalen Zyklus von zehn großen Tafelbildern, die Wolfgang Schwarzentrub innerhalb der letzten drei Jahre geschaffen hat. Im Format 120 x 140 Zentimeter halten sie, einer abstrahierenden Chronik ähnlich, markante Ereignisse fest: die Öffnung der Erde, der Jahre nach erfolgter Rekultivierung orange-rot gefärbten Gessenbach, der Haldenrutsch auf Gessen, der Tagebau, das Sprengen des Gesteins, Vermessung der Landschaft und ihre Revitalisierung.

Deutlich sichtbar in den Bildern ist die Ambivalenz des Themas. Den Maler interessieren die atemberaubenden Dimensionen der geschundenen Landschaft, die fantastischen Farben aufgewühlter Erdmassen und aufsteigender Schwefeldämpfe ebenso wie die Hybris des Menschen, unkalkulierbare und unkontrollierbare Kräfte zu entfesseln. Als Kind hat der Maler bei ungezählten Radtouren zwischen Kauern, Gessen, Collis und Ronneburg bleibende Eindrücke gewonnen. Kein Gedanke, dass es gefährlich sein könnte, die warme Luft aus der Bewetterung zu atmen. Weil er Gerscher ist, habe ihn das Thema bis heute nicht losgelassen.

Aus den Augen aus dem Sinn, könnte der nächste Schritt sein. Das fände er grundfalsch und gefährlich. Darum gehört zu seiner Installation zur noch bis Sonntag, 28. Juli, laufenden 9. Höhler-Biennale Gera neben Skizzen und bergmännischem Gerät eine Spitzkegelhalde. Dort unter Tage noch mal nachschauen und ins Gespräch kommen, ist das Anliegen. Wie weit sind Menschen, Firmen, Staaten bereit, Gesundheit, Land und Landschaft zu opfern? Sind sie überhaupt bereit, ihr Tun zu reflektieren und innezuhalten?