Jena. Anna Calvi holt alles aus ihrer Gitarre heraus.

Am Ende stemmte Anna Calvi ihre Gitarre mit beiden Händen in das rote Licht, welches die Bühne tränkte. Geradezu ikonisch hielt sie das Objekt der Begierde am Donnerstagabend in der Kulturarena nach der letzten Zugabe „Ghost Rider“ in die Höhe, zuvor hatte die 38-Jährige aus ihrer altgedienten Fender Telecaster – hie und da war der Lack bereits ab – noch einmal alles herausgeholt. Anna Calvi schien förmlich mit ihrem Instrument zu ringen, ja zu kämpfen, spielte sich zum Ende in Trance und ließ sich auf die Knie fallen, um ihrer Gitarre noch das letzte Quantum an kakophonischer Rückkopplung zu entlocken. Klänge, die bei so manchem Zuhörer wohl die Sehnsucht beschworen, selbst dergleichen zu beherrschen. Doch es bedurfte nicht erst der Zugabe, damit die Engländerin ihre Gitarre inspiriert malträtierte, spätestens beim zweiten Song, „Indies“, ging sie in die Vollen und verteilte mit ihr Watschen.

Irgendwo zwischen Indie-Rock, Pop und Alternative

Doch die Virtuosität an der E-Gitarre war eben nur eine Seite der Calvi-Medaille an jenem Abend. Die andere war ihre nebulöse Stimme, mit der die kleine Frau problemlos die gesamte Arena ausfüllen konnte, wenn sie sich denn die Seele aus dem Leib schrie. Obwohl, schreien trifft es nicht, denn selbst wenn sie gefühlt am Anschlag agierte, kam der Gesang stets klar über ihre Lippen. Doch bei aller Wucht und auch aller Schwermut mangelte es nicht an Momenten des Innehaltens, in denen man sich aber stets gewiss sein konnte, dass der Calvi-Geysir, der irgendwo zwischen Indie-Rock, Pop und Alternative zu verorten ist, im nächsten Moment wieder ausbrechen wird – und dann standen alle Zeichen auf Katharsis, auf Knien, den Blick mit verschlossenen Augen gen Bühnendach oder auch gen Himmel. Wer weiß das schon.

Es war zweifelsohne ein souveräner Auftritt, bei dem sich die studierte Musikerin, die seit ihrem achten Lebensjahr Gitarre spielt und deren selbstbetiteltes Debütalbum 2011 erschien, jedoch nicht bei den 1150 Zuschauern anbiederte. Erst in den Untiefen ihres Auftritts richtete sie äußerst lakonisch das Wort an ihr Auditorium, um dann umgehend allein wieder ihre Musik sprechen zu lassen. Ja, Anna Calvi war zwar da, nahm die Bühne problemlos mit zwei weiteren Musikern vollends ein, doch gleichzeitig wirkte sie unendlich fern, absolut unnahbar und in ihrer eigenen musikalischen Galaxie hausend. Volle Konzentration anstelle eines beliebigen Grinsens. Und dergleichen war in keinem Moment tragisch, vielmehr rundete es das Gesamtpaket namens Anna Calvi perfekt ab. So ein bisschen Rock-and-Roll-Attitüde halt.