Triptis. Tatjana Böhme-Mehner stellt ihr Buch mit vielen lokalen Bezügen vor

Irgendwann 1981 ist die kleine Tatjana mit ihrer Kindergartengruppe unterwegs in Triptis. Lindwurmartig, in Zweierreihen, Hand in Hand trotten die Kleinen durch die Stadt. In der Puschkinstraße wird vor einem Straßenschild Halt gemacht und die Erzieherin will, wie sie sagt, vom „sowjetischen Dichter“ Puschkin erzählen will. Dazu kommt sie aber nicht. Weil die kleine Tatjana einwirft, dass man bei Alexander Puschkin (1799 bis 1837) ja nicht von einem sowjetischen Dichter reden könne. Das sitzt. Zwar spart sich die Erzieherin ihren Puschkinvortrag, aber nicht ein ernstes Wort mit der Mutter des Frechdachses. Die antisowjetische Agitation bleibt ansonsten zum Glück folgenlos.

Wieso sie in einem zarten Alter zwischen Russen und Sowjets unterscheiden konnte und etliche weitere herrliche Geschichten aus ihrer Kindheit in Triptis dokumentiert Tatjana Böhme-Mehner in ihrem Buch „Warten auf den Vater – Erinnerungen an Ibrahim Böhme“ (Europa Verlag München, 2019). Die promovierte Musikwissenschaftlerin, Dramaturgin der Philharmonie Luxemburg und frühere OTZ-Journalistin stellt den Band nun am Mittwoch, 10. April, in einer Lesung in Triptis vor. Der Lese- und Erinnerungsabend verspricht, ein Ereignis zu werden – für diese Veranstaltung der Stadtbibliothek wird immerhin in den Saal des Rathauses eingeladen. Beginn ist um 19 Uhr.

„Ich freue mich auf diese Lesung an einem Ort, der den Charakter des Buches auf seine ganz besondere Art geprägt hat, auf gute Gespräche und Begegnungen“, sagt die 42-jährige Autorin. „Dass die Reihe der eigentlichen Lesungen jenseits von Leipziger Buchmesse und Präsentation bei der Robert-Havemann-Gesellschaft Berlin in Triptis starten, ist für mich mehr als nur ein glücklicher Zufall, welcher der extrem schnellen Reaktion und dem Einsatz von Stadtbibliotheksleiterin Martina Lange ganz persönlich zu verdanken ist.“ Tatjana Böhme-Mehner, deren Großeltern heute noch in Triptis leben und deren Mutter die Vorgängerin von Martina Lange ist, wird ein Buch vorstellen, das man auch bittersüß bezeichnen könnte. Denn ihre Kindheit steht im Schatten eines Vaters voller Rätsel, von dem sie nicht viel hat und der es nach der Wende, im Frühjahr 1990, mit dem Ruf eines Bürgerrechtlers beinahe zum ersten frei gewählten DDR-Ministerpräsidenten gebracht hätte, wäre er nicht als Stasi-Spitzel enttarnt worden. Irgendwann in ihrem Buch, Stasi-Unterlagen über Ibrahim Böhme (1944 bis 1999) reflektierend, zitiert sie die „Gnade der späten Geburt“ und schreibt: „Ich bin froh und glücklich, zu jung zu sein. Froh, dass niemand mit [...] Unverstand in meinem Leben herumgewühlt hat.“