Jena. Neue Ausstellung im Jenaer Kunstverein bis 11. Mai: „Renée Reichenbach – Oliver Bekiersz. keramik & grafik“

Mit dem Jahresmotto „Dialektik der Formen – ­Dialektik der Moderne“ hat sich der Jenaer Kunstverein im Bauhaus-Jubiläumsjahr auf die Fahne geschrieben, Gegensätzliches zueinander zu führen: Gegenständliches und Abstraktes, skulpturale und zweidimensionale Arbeiten, Farbigkeit zu Schwarz-Weiß-Kontrasten, verschiedene Gattungen und Materialien. Und so treffen auch in der zweiten Doppellausstellung in der Galerie im Stadtspeicher erneut zwei Künstler mit ihrer gegensätzlichen, aber auch verbindenden Kunst aufeinander.

Mit den gegenständlich anmutenden Keramikobjekten von Renée Reichenbach (Halle) und den ab­strakten Linolschnitten von Oliver Bekiersz (Halle) greift die Ausstellung zudem zwei kunsthandwerkliche Traditionen der Weimarer Kunstschule auf. Wie schon am Bauhaus spielt das handwerkliche Meistern der Technik bei beiden ebenso eine Rolle wie das Ausreizen des Materials. Alle Arbeiten der beiden Künstler zeugen von langwierigen Arbeitsprozessen, großer Geduld und technischer Raffinesse.

Die 1956 in Jena geborene Keramikerin Renée Reichenbach, die seit 1982 als freiberufliche Künstlerin in Halle tätig ist, präsentiert sich als wahre Baumeisterin, als Keramikerin ohne Töpferscheibe. Ihre Arbeiten – Kannen, Hörner, Messer, Schalen, Gefäße, Artefakte – bestehen aus schamottierten Platten in beigem, grauem bis erdig-gefärbtem Ton und Porzellan. Daraus baut sie ihre Objekte auf, schachtelt die Teile aus gewalzten Platten ineinander, bis sie die typischen Formen erlangen: Runde, bauchige Gefäße, aber auch schmale, langgezogene Objekte, die den Titel „Machete“ oder „Einbaum“ tragen und die von einem längeren Japan-Aufenthalt der Künstlerin inspiriert sind. Diese tektonischen Gebilde – allesamt Unikate – verlassen schließlich ihre Funktion, zeigen sich als gestaltete Form. Die Farbe liegt dabei nicht auf der Oberfläche, sondern steckt in ihr, in den farbigen Tonen, sparsam veredelt mit Glasuren oder Engobe und mit marmorartigen Effekten– ein Verfahren, das die Künstlerin über Jahre hinweg entwickelt und perfektioniert hat. So wohnt ihren Arbeiten eine besondere Lebendigkeit inne, ein Spiel mit Tiefen und Höhen, Hohlräumen und Erhebungen, mit Ecken und Kanten, mit Licht und Schatten – gänzlich ohne Schnörkel und Zierde.

Spiel mit Rastern und geometrischen Formen

Genauso geplant und wohl überlegt sind die Arbeiten von Oliver Bekiersz an den Wänden der Ausstellungsräume. Der Grafiker, 1986 in Jena geboren und bis 2017 Student an der Burg Giebichenstein, hat sich in seinen Linolschnitten auf den Kontrast zwischen Schwarz und Weiß in verschiedensten geometrischen Mustern und Flächen festgelegt. Seine scheinbar abstrakt zusammengesetzten Arbeiten offenbaren allerdings auf den zweiten Blick Architektonisches, Landschaften, Räume. Auch er baut seine Flächen aus kleinen Einzelstücken, aus immer wiederkehrenden Mustern, Streifen, Strichen und Flächen. Sie prallen hart aufeinander, zerfließen, gehen ineinander über. Auch dabei ist größte Sorgfalt gefragt. Oliver Bekiersz liebt das klare Muster und experimentiert damit auch in unterschiedlichen Formaten. Mitunter durchbricht er die Raster seiner Linien, so dass ein Flirren entsteht, im Auge des Betrachters Formen lebendig werden können.

Bis 11. Mai ist die Doppelausstellung im Jenaer Stadtspeicher zu sehen. Der Eintritt ist frei, zusätzlich gibt es ein Begleitprogramm. So wird am Donnerstag um 19 Uhr zum Vortrag „In Zwiesprache. Handwerk, Kunst und Architektur. Künstler am Bauhaus“ eingeladen und am Sonnabend um 15 Uhr zu einer Führung mit Ella Falldorf, Kunsthistorikerin, Masterstudentin an der Universität Haifa und Mitarbeiterin der Gedenkstätte Buchenwald.

Öffnungszeiten: Mittwoch, Freitag, Sonnabend 12 bis 16 Uhr, Donnerstag 12 bis 19 Uhr.