Bad Lobenstein. Die Bad Lobensteiner Restauratorin und Künstlerin Christiane Schill wird mit der Kulturnadel des Freistaates geehrt.

Die Särge der Weimarer Fürstengruft; die berühmte Bauhaus-Wiege von Peter Keler; ­Jacke, Brotbeutel und selbst gemachter Kuschelhund aus dem KZ Buchenwald; unzählige historische Wandbespannungen und Vorhänge in thüringischen, hessischen und bayerischen Schlössern: Christiane Schill hat in ihren Bad Lobensteiner Werkstätten für Textilgestaltung und Restaurierung schon Tausende textiler Kulturschätze gerettet beziehungsweise deren Erhalt gesichert. Heute wird die 74-jährige Thüringerin für ihr Engagement mit der Kulturnadel des Freistaates geehrt.

Mit dem Preis wird vor allem ehrenamtlicher Einsatz gewürdigt. Und den legte Christiane Schill in den vergangenen 30 Jahren vielfach an den Tag. Zig Studenten und Schüler haben in ihrem Kleinbetrieb praxisnahe, hoch qualifizierte Praktika absolvieren können. Unterstützt durch ihren Mann und einen kleinen Freundeskreis avancierte ihr Atelier außerdem zu einer Art Kunstschule und Veranstaltungsort, wo Kurse, Lesungen, Theatervorstellungen und Konzerte stattfanden.

Ein Querbehang aus dem Schloss Fasanerie bei Fulda.
Ein Querbehang aus dem Schloss Fasanerie bei Fulda. © Christiane Schill

Die wohl größten Verdienste erwarb sich die gebürtige Lobensteinerin allerdings als Textilrestauratorin. Ihre Werkstatt ist mit zwei Angestellten die größte in den neuen Bundesländern. Viele Restauratoren schlügen sich eher als Einzelkämpfer durch, weiß Christiane Schill. Entsprechend gefragt ist die Expertin, wenn es um die Sicherung von in die Jahre gekommenen Fahnen, Puppen, Kleidern, Teppichen und sakralen Textilien geht. Museen, Schlösser, Stiftungen und kirchliche Einrichtungen setzen auf ihr breites Fachwissen und handwerkliches Können.

Vater und Mutter nach der Wende rehabilitiert

Zu ihren emotional aufwühlendsten Aufträgen gehörten die Arbeiten für die Gedenkstätte Buchenwald. Schills Vater kam im Speziallager Nr. 2 um, das die sowjetische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg dort errichtete. Nach der Wende ließ Christiane Schill ihren Vater rehabilitieren. Das war ihr wichtig. Er war lediglich Leiter des örtlichen Fernmeldeamtes und damit nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden. Besonders tragisch: Als die Amerikaner 1945 im Gegenzug für Berlin aus Thüringen abzogen, rieten sie dem Vater noch, das Land zu verlassen.

Der Brotbeutel eines Häftlings aus dem Konzentrationslager Buchenwald.
Der Brotbeutel eines Häftlings aus dem Konzentrationslager Buchenwald. © Christiane Schill

Auch für die Rehabilitierung ihrer Mutter hat sich Christiane Schill erfolgreich eingesetzt. Sie wurde inhaftiert, nachdem sie 1961 in einem Brief angedeutet hatte, in den Westen gehen zu wollen. Für Christiane Schill, damals noch nicht volljährig, hieß es damals, schnell erwachsen zu werden.

Ihr Studium führte sie nach Sonneberg, ein dreijähriges Praktikum anschließend nach Eisenach, bevor sie sich 1971 als freiberufliche Textilgestalterin in Weimar niederließ. Beispiele ihres künstlerischen Schaffens hängen unter anderem in der Mensa der Bauhaus-Uni in Weimar und im Landgericht Gera.

Anfang der 90er-Jahre kehrt Schill nach Bad Lobenstein zurück und baut mit ihrem Mann, einem Architekten, das heutige Werkstatthaus auf elterlichem Grund. Nachdem es immer schwieriger wird, als Künstlerin den Lebensunterhalt zu sichern, wendet sie sich ab 1993 hauptberuflich verstärkt der Restaurierung zu.

Ein Thronsessel aus dem 17. Jahrhundert aus dem Stadtschloss Weimar.
Ein Thronsessel aus dem 17. Jahrhundert aus dem Stadtschloss Weimar. © Christiane Schill

Aktuell arbeitet sie mit ihren Angestellten wieder für Schloss Fasanerie in Eichenzell nahe Fulda – eines ihrer Langzeitprojekte. Hier hat sie schon zahlreiche edle Wandbespannungen und historische Vorhänge restauriert. Oft arbeitet das Team direkt an der Wand. Dabei kommen unter anderem feinste chirurgische Nadeln zum Einsatz. „Wir erhalten das, was vorhanden ist. Wir reparieren nicht“, betont Schill.

Die Textilrestauratorin entstammt einer Familie mit einer langen künstlerischen Tradition. So gehörten ihr etwa Textilfabrikanten wie auch Goethes Zeichenlehrer Friedrich Preller an. Mutter, Großmutter und Urgroßmutter waren zudem Hutmacherinnen, die sich und ihre Kinder teilweise durch den frühen Tod der Ehemänner allein durchbringen mussten. Hatte sich Schills Vater in Buchenwald eine tödliche Lungenentzündung zugezogen, war ihr Großvater nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt.

Inzwischen sucht Christiane Schill einen Nachfolger, der ihre Werkstatt übernimmt. Doch das Vorhaben gestaltet sich schwierig. Ihr Job ist nicht lukrativ, verlangt viel Fachwissen und vor allem Zeit ab. Sie arbeite eigentlich immer. „Es ist eine Berufung.“ Auch die ungewisse Auftragslage mindert die Attraktivität. Mal herrsche Flaute, dann komme wieder alles auf einmal. Christiane Schill sieht den Staat in der Pflicht, Branchen wie die ihre finanziell zu unterstützten. Sonst laufe man Gefahr, dass das Handwerk der Textilrestaurierung hierzulande ausstirbt. „Kultur ist nun mal ein Zuschussgebiet.“