Gera. Eine Konzertreihe mit experimenteller Musik bricht verkrustete Hörgewohnheiten auf.

Seit Beginn der Klassischen Moderne haben Künstler immer wieder den Versuch unternommen, die Welt der Töne, Farben und Bewegung mittels Physik und Mathematik neu zu durchdringen. Vor knapp einem Jahr lockte das Publikum die Chance auf eine Begegnung mit den Balletten der Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer und Kurt Schmidt, um deren, für ihre Zeit unerhörter Neuentdeckung von Form und Bewegung zu folgen. Schon da waren in Gera tätige Musiker wie Burkhard Schlothauer und Matthias von Hintzenstern mit bislang unerhörten Klängen beteiligt.

Die Möglichkeiten, ob im Konzertsaal oder anderswo – musikalisch Ungewohntes und Neues zu hören, tendieren leider auch in Thüringen mit seiner immer noch reichen Orchesterlandschaft gegen null. So waren die von Burkhard Schlothauer initiierten und vom Musikfonds geförderten Konzerte „Abstract Music“ ein famoses Angebot für Neugierige, experimenteller Musik zu begegnen.

Das fünfte und vorerst letzte Konzert der verkrustete Hörgewohnheiten aufbrechende Reihe hatten die hoch konzentriert agierenden Musiker Reinhold Friedl (Inside Piano), Matthias von Hintzenstern (Violoncello), Burkhard Schlothauer (Geige und Bratsche) und Peer Salden (Klarinette) dem 1931 geborenen Komponisten Alvin Lucier gewidmet. In den Kompositionen „Fidelio Trio“, „Music for Piano with Magnetic Strings“, „Violynn“ und „In Memoriam Jon Higgins“ gilt das Interesse des US-amerikanischen Klangkünstlers Lucier vor allem den Schwebungen, die durch Interferenzen zwischen Schallwellen entstehen. Es geht um physikalische Akustik, um die Schärfung der Sinne für minimale Schwingungen von Sinuskurven, und da die Konzertreihe auch der Wissensvermittlung dient, erläutert Burkhard Schlothauer dem Publikum der Sonntagsmatinee jeweils das Konzept.

Winzige Ausschwünge eines Klarinettentons, das buchstäbliche Verstreichen eines Tons auf der Violine, dem nur spiegelverkehrt im auf Hochglanz polierten Deckel des Flügels zu beobachtbaren „Spiel“ des Pianisten auf den Saiten – nichts erinnert an Bekanntes. Für die außergewöhnlichen, meditativen Klangerlebnisse dieses besonderen Konzerts gab es viel Beifall.