Berlin. Viele Krebspatienten sind während oder nach der Therapie extrem erschöpft. Ein Forschungsprojekt macht Hoffnung. Es arbeitet per App.

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Am 4. und 5. Mai 2024 kommen auf der YES!CON in Berlin wieder Betroffene und Experten zum Austausch zusammen. Interessierte können kostenlos dabei sein, vor Ort und per Livestream (siehe unten). Ein wichtiges Thema dabei: Welche Fortschritte macht die Krebsforschung? Lesen Sie hier, warum manche Krebspatienten nach der Therapie über extreme Müdigkeit klagen – und welche Ursache dahinterstecken könnte.

„Schon während der Chemotherapien merkte ich, wie ich zunehmend schwächer wurde und immer länger brauchte, um mich zu erholen. Komplikationen und Nebenwirkungen strengten meinen Körper mehr und mehr an“, schreibt Heike in einem Blog der Deutschen Krebshilfe. In der Zeit der Bestrahlung habe sich dann ein weiteres Gefühl eingestellt. „Es eroberte mich vollkommen und ließ mich handlungsunfähig werden. Es fühlte sich an, als würde Blei in jeder Zelle meines Körpers fließen“, schildert die junge Frau ihre Erfahrungen mit dem Fatigue-Syndrom.

Fatigue ist eine Art von Müdigkeit und Erschöpfung, die sich vom normalen Maß deutlich unterscheidet. Extrem häufig ist sie Neben- oder Nachwirkung einer Krebstherapie. „Je nach Art der Behandlung sind 80 bis 100 Prozent der Patientinnen und Patienten betroffen“, sagt Privatdozentin Dr. Mitra Tewes, ärztliche Leiterin der Palliativmedizin am Uniklinikum Essen.

Die Krebsbehandlung kann bei manchen Betroffenen zu extremer Erschöpfung, sogenannter Fatigue, führen.
Die Krebsbehandlung kann bei manchen Betroffenen zu extremer Erschöpfung, sogenannter Fatigue, führen. © iStock | VioletaStoimenova

Fatigue bei Krebs: Tage voller Schwere wollten nicht weichen

Besonders tückisch daran: Das Syndrom dauert oft noch an oder tritt manchmal sogar erst auf, wenn die Menschen glauben, den Krebs besiegt zu haben. „Der Krebs war weg – und der Duft nach meinem alten Leben roch gut und gab mir alle Motivation, meinen Körper wiederherzustellen“, schreibt Heike. „Dennoch wollten diese Tage voller Schwere nicht von mir weichen.“

Abgeschlagenheit und Erschöpfung wirken sich dabei massiv auf den Alltag aus. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität und verringern die Leistungsfähigkeit. Soziale Aktivitäten leiden und das Wirken im Beruf wird eingeschränkt. Auch Heike scheitert nach der Behandlung ihres Lymphdrüsenkrebses an der Rückkehr in den Job. „Mein neuer Status war: 26 Jahre, chronische Fatigue, Vollzeit berentet.“

Problematisch bei der Behandlung einer Fatigue ist, dass die Ursachen noch nicht vollends erforscht sind. Entzündungen spielen dabei wahrscheinlich ebenso eine Rolle wie bestimmte Reaktionen des Immunsystems. „So richtig viel weiß die Wissenschaft noch nicht“, sagt Mitra Tewes. Es gebe diverse Risikofaktoren und Auslöser. „Und dann hat eine Fatigue auch noch verschiedene Dimensionen“, so Tewes weiter – psychische, körperliche, kognitive.

Erschöpfung nach Krebs: Künstliche Intelligenz wertet Echtzeitdaten aus

Bisher werden die Symptome meist mit einer Verhaltenstherapie und Bewegungsübungen behandelt. Aber nur etwa 30 Prozent der Betroffenen könnten die empfohlenen Bewegungsrichtlinien einhalten, sagt Tewes. „Wir wissen, dass Bewegungstherapie und verhaltenstherapeutische Ansätze die höchste Evidenz haben, also am besten wirken“, erklärt die Palliativmedizinerin und Onkologin.

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Um die Therapie verbessern zu können, haben sich nun Forschende der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, des Fraunhofer Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme, des Forschungszentrums Jülich sowie der Firma Fimo Health zusammengeschlossen.

Gefördert durch das Land Nordrhein-Westfalen wollen sie herauffinden, ob sich durch eine Kombination von Sensordaten, Instrumenten zur Selbsterfassung und deren Auswertungen die Diagnose, Überwachung und Therapie der krebsassoziierten Fatigue voranbringen lassen.

Krebs und Fatigue: Erste Projektergebnisse im Herbst 2025 erwartet

Basis für das „Faith“ getaufte Projekt, an dem Mitra Tewes beteiligt ist, ist eine Gesundheits-App der Fima Fimo Health. Diese lässt sich auf dem Smartphone von Krebspatientinnen und -patienten installieren und kommt bereits jetzt in der Fatigue-Therapie zum Einsatz.

Die App wird bei Verordnung von einigen Krankenkassen bezahlt und bedient die Elemente der klassischen Verhaltenstherapie: Dokumentation, Entspannung, Aufmerksamkeitsübungen oder Schlafhygiene. Mit den Ergebnissen von „Faith“ soll die App erweitert werden.

Bereits im Juni soll das Forschungsprojekt mit 100 Probanden starten und im Herbst 2025 erste Ergebnisse liefern. „Faith“ kombiniert die klassischen Therapieformen mit der Echtzeitmessung von Vitalparametern und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). „Es ist wichtig, subjektives Empfinden in objektive Erkenntnisse umzuwandeln. Dafür werden unter anderem Herz-, Atemfrequenz oder Sauerstoffsättigung im Blut gemessen und mit den Einschätzungen der Probanden verbunden“, erklärt Mitra Tewes. „Faith“ könnte helfen, die Verhaltens- und Bewegungstherapie zum Wohle der Patienten individueller zu steuern und so bessere Ergebnisse zu erzielen.

Mehr als zwei von fünf Frauen und etwa jeder zweite Mann in Deutschland sind im Laufe ihres Lebens von Krebs betroffen. Krebs gilt unter Ärzten längst als Volkskrankheit. Mitra Tewes sagt: „Es ist wirklich an der Zeit, die tumoraassoziierte Fatigue mehr in den Fokus zu nehmen.“

Krebs-Messe hier im Livestream verfolgen: YES!CON Berlin am 04. & 05. Mai

Sie ist die größte Krebs-Convention von und für Betroffene: die YES!CON. Veranstaltet wird die Veranstaltung von der gemeinnützigen Organisation yeswecan!cer, die zur FUNKE Mediengruppe gehört. Am 4. und 5. Mai findet die fünfte Auflage YES!CON 5.0 in Berlin statt. In der Telekom Hauptstadtrepräsentanz ist genug Platz für große Diskussionsrunden und einen offenen Austausch rund um das Thema Krebs. Interessierte können live dabei sein – vor Ort und übers Internet.

Alle Infos auf einen Blick:

  • Die YES!CON 5.0 kann auf den Online-Portalen der FUNKE Mediengruppe kostenlos im Livestream verfolgt werden
  • Los geht es am Samstag, 4. Mai, sowie am Sonntag, 5. Mai, jeweils ab 11 Uhr
  • Die Teilnahme vor Ort ist ebenfalls kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich
  • An beiden Tagen finden jeweils ab 11 Uhr auf zwei Bühnen Panel-Talks u.a. mit Ärztinnen und Ärzten, Betroffenen und weiteren Experten statt
  • Mit dabei sind unter anderem: Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Henning Krautmacher, Tanja Bülter, Bettina Rust, Stefanie Stahl und Dr. Hajo Schumacher.
  • Auf einem großen Marktplatz der Ideen präsentieren sich die Möglichmacher, die sogenannten Enabler, und diverse Krebs-Initiativen. Am Samstagabend spielt Christopher von Deylen (aka Schiller) ein DJ-Set – auch das natürlich kostenlos.
  • mehr Infos unter www.yescon.org