Hamburg. Dr. Matthias Riedl spricht im Ernährungs-Podcast über Eiweiße und worauf man achten muss, damit die Muskeln nicht abgebaut werden.

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Der Winter verführt uns dazu, es uns auf dem Sofa gemütlich zu machen, doch Bewegung sei unbedingt nötig, um gesund zu bleiben, sagt Dr. Matthias Riedl in der neuen Podcast-Folge „Dr. Matthias Riedl: So geht gesunde Ernährung“.

Der Ernährungsmediziner spricht von sogenannten Low Gainern und High Gainern, also Menschen, die sehr schnell, und anderen, die sehr langsam Muskeln aufbauen. Wer Kraftsport macht und nach drei, vier Wochen bereits einen deutlichen Muskelmassenzuwachs sieht, gehört seinen Angaben zufolge zur zweiten Gruppe, „und das ist die Mehrheit“. Aber wer dann nicht sofort muskulös wirkt, müsse nicht frustriert sein, sagt der Ärztliche Direktor des Medicum Hamburg. „Es ist so, dass die Muskelfunktion nicht unbedingt vom Durchmesser abhängt. In der Evolution war es auch so, dass die kleinen Zarten besser durchs Gestrüpp gekommen als die großen Dicken.“

Unsere Gelenke sind abhängig von einer starken Muskulatur

Entscheidend ist die Muskelkräftigung laut Dr. Riedl, weil die Muskulatur wichtige Aufgaben erfüllt: Sie wirkt antientzündlich, senkt den Blutzucker und verbessert die Blutfettwerte, „hat also ein Füllhorn von positiven Effekten“. Aber ihre Kernaufgabe sei es, die Gelenke zu stabilisieren. „Die sind ganz stark abhängig von einer gesunden Muskulatur, diese ist unser größter Schatz“, sagt der Mediziner. Und weil sie so überlebenswichtig sei, habe der Körper einen Mechanismus entwickelt, der ihm helfe, die Muskulatur zu erhalten. „Wir dürsten nach Eiweiß“, sagt Riedl, bekannt als NDR-Ernährungs-Doc.

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Von Proteinshakes hält der Ernährungsmediziner dagegen nicht viel: „Ich sehe das sehr, sehr kritisch und wir empfehlen das nicht grundsätzlich nicht zum Muskelaufbau, weil wir die Eiweißversorgung auch durch gesunde Ernährung sicherstellen können.“ Diese Eiweiß-Pulver oder -Drinks seien industriell produziert, hätten außerdem zugesetzte Vitamine und Aromen. Vor allem die zugesetzten Aromen seien schlecht untersucht.

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Riedl rät dazu, solche Shakes selbst herzustellen – aus Mandelmus, Nüssen, gemahlenen Haferflocken und ein bisschen Milch oder Sojamilch. „Das ist die gesündere Variante. Und dann habe ich eben nicht nur Eiweiß und künstliche Vitamine da drin, sondern auch noch Spurenelemente und jede Menge Ballaststoff. Das ist dann richtige Ernährung, das andere ist Astronautenkost.

Wieviel Eiweiß braucht der Mensch?

Aber wie viel Eiweiß braucht der Mensch denn eigentlich? „Das ist sehr stark abhängig von der Körpergröße“, sagt Riedl. „Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sagt 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Wenn wir so auf 50 zugehen, dann sind wir schon bei dem Bedarf von einem Gramm pro Kilo, denn je älter wir werden, desto schlechter nehmen wir das Eiweiß auf. Wenn wir dann auch noch sportlich aktiv sind, steigt der Eiweißbedarf noch mal, dann sind wir schon schnell bei 1,2 Gramm. Jemand mit 70 Kilo brauche dann 70 Gramm Eiweiß pro Tag, verteilt auf die Mahlzeiten.“ Die besten gesundheitlichen Effekte bewirke eine Mischung von tierischem und pflanzlichem Eiweiß.

Erwachsene brauchen pro kg Körpergewicht und Tag etwa 0,8 g Protein. Wer zum Beispiel 68 Kilo wiegt, sollte 54 g Eiweiß zu sich nehmen.
Erwachsene brauchen pro kg Körpergewicht und Tag etwa 0,8 g Protein. Wer zum Beispiel 68 Kilo wiegt, sollte 54 g Eiweiß zu sich nehmen. © Christin Klose/dpa-tmn/dpa-mag

Im Alter drohe Muskelabbau, wenn man nicht genug Eiweiß zu sich nimmt. „Wer also chronisch zu wenig Eiweiß isst, der verliert Stück für Stück Muskulatur. Der natürliche Verlauf unserer Muskulatur ist so: In der Jugend baut sich die Muskulatur noch von ganz alleine auf. So ab Mitte 20 stagniert das dann. Ab 30 ist es so, dass dieser natürliche Muskelaufbau ins Stocken gerät. Ab 50 ist, wenn wir uns nicht körperlich betätigen, die Muskulatur eher schon im Abbaumodus, ab 70 dann noch stärker. Das heißt, wer sich nicht bewegt mit 70, kriegt automatisch einen Muskelabbau.“ Das bedeute Gangunsicherheit, Klapprigkeit und einen geringeren Grad der Selbstversorgung. „Und der führt am Ende zu Stürzen mit allen Komplikationen.“ Deshalb sei eine gute Muskulatur entscheidend, um im Alter im eigenen Haushalt bleiben zu können.

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Von Proteinshakes sollte man die Finger lassen

Von High-Protein-Produkten solle man ebenso die Finger lassen wie von Proteinshakes, findet Riedl, um nicht plötzlich überversorgt zu sein. „Ich hatte neulich einen Pudding mit 50 Gramm Eiweiß“, sagt der Ernährungs-Doc, „das ist dann der Eiweißbedarf einer Frau vom ganzen Tag. Was soll das? Und vor allen Dingen, wenn ich meinen Eiweißbedarf mit Pudding decke, bin ich satt. Und ich verhindere damit, dass ich andere gesunde Sachen esse.“ Am Ende handle es sich um Fertigprodukte, die den Eindruck erweckten, sie seien gesund. „Aber es ist Pudding, den man mit einem Label ,eiweißreich’ gesund waschen und natürlich damit schön viel Geld verdienen will.“

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Um mit Bewegung und Sport anzufangen, sei man übrigens nie zu alt, macht Riedl Mut: „Es ist nie zu spät, ob wir nun 50, 60 oder 70 sind, es hat immer einen positiven Effekt. Leider ist Sport ein ,Medikament` das man auch regelmäßig anwenden muss.“ Als Faustregel nennt er mindestens einmal pro Woche Kraftsport für den Muskelerhalt. Wer Muskeln aufbauen will, müsse mindestens zweimal die Woche trainieren und die Intensität auch steigern: „Und ich empfehle noch zweimal die Woche Ausdauersport. Das ist gut für Herz und Kreislauf.“ Wer noch richtig einen drauflegen will, der macht einfach noch einmal pro Woche so etwas wie Ballsport, denn das fordert unser Gehirn so richtig.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.