Erfurt. Wie Ex-Olympiasieger Frank Ullrich die leidende SPD für den Bundestagswahlkampf motiviert.

Das Ergebnis fiel wie erwartet aus. 91 Prozent der Delegierten stimmten am Samstag im Parksaal der Erfurter Arena für Carsten Schneider. Damit war der Erfurter, der zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion in Berlin aufgestiegen ist, wieder einmal zum Thüringer Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt, zum vierten Mal schon.

Insgesamt tritt der Mann, der inzwischen mehr als die Hälfte seiner 45 Lebensjahre im Parlament verbracht hat, zum siebten Mal für Thüringen an. Kontinuität gab es auch auf Platz 2, auf den mit 86 Prozent erneut Elisabeth Kaiser aus Gera gewählt wurde. Allerdings sitzt die 34-Jährige, die vor wenigen Monaten Mutter wurde, erst seit vier Jahren im Bundestag.

Das beste Ergebnis des Tages erhielt auf Platz 3 der Neu-Sozialdemokrat Frank Ullrich. Für ihn stimmten 98 Prozent der Delegierten. Dies lag womöglich daran, dass der 63-Jährige, der Olympiasieger, Weltmeister und Bundestrainer im Biathlon war, eine gut gelaunte Motivationsrede hielt.

Die SPD, rief er, „sei ein ganz starkes Team“ in einem „starken Land“ mit einem „absoluten Teamleader“ namens Schneider; der Wahlkampf werde eine tolle Sache. Da jubelte es sogar vorsichtig im Saal. Aber das gute Ergebnis für Ullrich lässt sich natürlich auch mit dem Umstand erklären, dass er im Südthüringer Wahlkreis 196 gegen Hans-Georg Maaßen von der CDU antritt – dessen Namen aber niemand im Parksaal nannte, so als sei der frühere Bundesverfassungsschutzchef der dunkle Lord Voldemort aus den Harry-Potter-Büchern. „Ich werde alles geben“, rief Ullrich. „Ich werde versuchen, auch mal wieder eine Goldmedaille mit nach Hause zu bringen.“ Wieder jubelte es. Er höre sich „wie ein Coach“ an, rief Landesvize Diana Lehmann.

Angesichts der miesen Lage der SPD in den Umfragen müsste der einstige Champion tatsächlich den Wahlkreis direkt gewinnen, um in den Bundestag zu gelangen. Falls sich die Partei nicht berappelt, dürfte es nach dem 26. September erstmals nur für zwei Thüringer Sozialdemokraten im Bundestag reichen.

Und trotzdem: Ausgerechnet bei dem – aus jetziger Sicht – völlig aussichtslosen vierten Listenplatz gab es erstmals Konkurrenz zum Listenvorschlag des Vorstands. Die Jenaer Ärztin Tina Rudolph trat gegen die Sondershäuser Kreischefin Anne Bressem an, die Soldatin im Rang eines Oberstleutnants ist – und gewann knapp mit 51 Prozent.

Bressem war bis noch vor Kurzem Pressesprecherin von Innenminister Georg Maier, der seit einem Jahr die Landespartei führt und designierter Spitzenkandidat für die geplante Landtagswahl ist. Maier hielt eine Rede, in der er, nachdem er die Bewerber vorgestellt hatte, sich dezidiert selbst in den Mittelpunkt stellte. Er lobte seine Kompetenz als Minister und sein Engagement für die Kommunen – und fand es prima, dass er sich „bundesweit einen Namen im Kampf gegen den Rechtsextremismus gemacht“ habe.

Einige Delegierte wirkten darüber hörbar irritiert, schließlich ging es am Samstag ja noch nicht um den Landtagswahlkampf, zumal niemand weiß, ob es überhaupt dazu kommt. Die Irritation steigerte sich noch, als Maier bei der Verabschiedung des Bundestagsabgeordneten Christoph Matschie nonchalant einräumte, eben erst gelernt zu haben, dass dieser als sein Amtsvorvorvorgänger für 15 Jahre die Thüringer SPD geführt hatte. „Das wusste ich gar nicht“, sagte er.

Später, als Matschie Blumen überreicht bekam, setzte sich die Vorstellung fort. Maier („Ich habe mir den Lebenslauf gerade noch mal geben lassen“) las merklich unvorbereitet einige biografische Daten des Mannes ab, der seit 1990 die SPD in Thüringen und Berlin geprägt hatte. Matschie entschied sich dazu, darüber hinwegzulächeln.