Geisa. Mahnen, gedenken, begegnen: Ein neues Buch richtet den Blick auf Menschen, die eine besondere Beziehung zum Point Alpha haben.

Heute vor 33 Jahren ging in Berlin die Grenze auf. Die Mauer fiel. Es dauerte dann oft nur Stunden, teilweise Tage, manchmal Wochen, ehe überall an der innerdeutschen Grenze Straßen geöffnet und damit der ungehinderte Weg ins andere Deutschland ermöglicht wurden. So auch in der Rhön bei Geisa. Was diese Grenzregion von anderen unterscheidet? In Zeiten des Kalten Krieges war hier der vermeintlich heißeste Punkt: auf der einen Seite die Vertreter des Warschauer Pakts, auf der anderen Seite US-Amerikaner, die am Point Alpha Wache hielten. Sie hatten sich fest im Blick. In den Jahren der deutsch-deutschen Teilung schien zeitweilig die Gefahr eines Dritten Weltkriegs fast zum Greifen nahe.

An all das soll Point Alpha erinnern: mahnen, gedenken, begegnen. Das sind die drei Aufgaben, die an diesem authentischen Ort im Fokus stehen. Claus Peter Müller von der Grün – lange Jahre als Journalist für die FAZ mit Thüringen befasst und mittlerweile selbstständig tätig – hat im Auftrag der Point Alpha Stiftung einen schmalen, durchaus interessanten Band über das „Leben im Grenzbereich“ verfasst, der den Ort im Blick hat, „an dem Freiheit und Unfreiheit, der Kalte Krieg und seine Überwindung erlebbar bleiben“. Die Idee dazu stammte von Bernhard Vogel, dem früheren Ministerpräsidenten von Thüringen, der mittlerweile fast 90 Jahre alt ist. Die Idee zum Buch liegt ein halbes Jahrzehnt zurück. Jetzt wurde das Werk im „Haus auf der Grenze“ vorgestellt – und Vogel lobte den Autor in den höchsten Tönen. Wohl auch dafür, dass Müller von der Grün eben nicht nur eine Geschichte von Point Alpha geschrieben, sondern sich auf die Menschen, die im Grenzbereich leben, konzentriert hat. Menschen, deren Dasein eng verwoben ist mit diesem besonderen Punkt.

Beispielsweise Renate Stieber, Jahrgang 1940. In Schlesien geboren, als Kind auf der Flucht. Sie sah als Vierjährige Dresden brennen – und musste als 15-Jährige entscheiden, alleine in den Westen zu gehen, nachdem die Familie bereits der DDR den Rücken gekehrt hatte. Zwei Fluchten also noch vor Erreichen der Volljährigkeit. Im Westen wurde sie Verbindungsoffizierin bei den US-Streitkräften in Fulda, weshalb sie Point Alpha gerade auch aus jener Zeit kennt, als dort die Amerikaner stationiert waren. Berthold Dücker dagegen ist ein Nachkriegskind der Rhön, 1947 in Geismar geboren – und aufgewachsen in der frühen DDR, als die Verhältnisse immer enger wurden, auch deshalb, weil die Menschen nahe der Grenze Angst hatten, ins Landesinnere abgeschoben zu werden – etwa bei der Aktion Ungeziefer. Dücker floh 1964 in den Westen, wurde in Fulda Journalist, kehrte nach dem Mauerfall in seine Heimat zurück – als Chefredakteur der Südthüringer Zeitung. Er wurde treibende Kraft beim Erhalt von Point Alpha. Dass dieser Ort sich zur Mahn-, Gedenk- und Begegnungsstätte entwickelt hat, geht maßgeblich auf ihn zurück. Nach Zeiten, in denen die Stiftung, die thüringische und hessische Wurzeln hat, Schwierigkeiten durchstehen musste, will Point Alpha, das nun neu aufgestellt ist, „noch bildungsrelevanter“ werden, so Philipp Metzler, der dem Vorstand angehört. Ein Blick auf die Veranstaltungen lohnt sich.

pointalpha.com