Erfurt. Die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände diskutiert in Erfurt die Zukunft der frühkindlichen Bildung und Qualität in den Kitas. Eine Reform der Erzieher-Ausbildung ist überfällig.

5,5 Milliarden Euro will der Bund bis 2022 für Kitas in die Länder geben. Die Schwerpunkte sind unterschiedlich, aus Thüringen kam schon das klare Signal, dass ein Teil des Geldsegens für ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr verwendet werden soll. Dass es in dieser Frage allerdings noch reichlich Gesprächsbedarf gibt, zeigte sich während einer Fachtagung in Erfurt.

Den Personalschlüssel spürbar verbessern und gleichzeitig Gebühren erlassen, könne man sich nicht leisten, Qualität müsse Vorrang haben, begründet die einladende Liga der Freien Wohlfahrtsverbände ihre Ablehnung des zweiten beitragsfreien Jahres. Die aktuellen Zahlen der Bertelsmann-Stiftung würden das bestätigen, so Steffen Richter von der Liga. Die Stiftung hatte die Zahl der Fachkräfte, die in den Thüringer Kitas eingestellt werden müssten, um die empfohlenen Qualitätsstandards zu erfüllen, auf 10.000 nach oben korrigiert.

Beitragsfreiheit versus mehr Betreuungspersonal? Grünen-Politikerin Astrid Rothe-Beinlich wehrte sich gegen diese Polarisierung. Rot-Rot-Grün habe bereits mehr als 500 zusätzliche Stellen in die Kitas gebracht, noch einmal so viele sollen folgen. Torsten Wolf (Linke) sekundiert: Zwei Drittel des Bundesgeldes werde in die Qualität fließen, ein Drittel in Beitragsfreiheit, was die Prioritäten beschreibe. Ein Verhältnis, mit dem sich Landeselternsprecherin Ulrike Grosse-Röthig „sehr zufrieden“ zeigt.

Vertreter aus der Praxis der Kitas sehen das anders. Angela Kirsten, die in Erfurt eine Kita leitet, sagt es deutlich: Das zweite beitragsfreie Kita-Jahr ist für die Motivation der Kollegen „total kontraproduktiv“. Kinder, die Sprachförderung brauchen, soziale Problemfälle, Inklusion, Arbeit mit den Eltern: Die Anforderungen an die Erzieher seien in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Ihre Mitarbeiter hätten gehofft, die Finanzspritze des Bundes werde in mehr Personal fließen.

Neben der Geldfrage ist die, woher die fehlenden Fachkräfte kommen sollen, die eigentliche Baustelle. In Thüringen startet, gefördert vom Bund, der Probelauf für eine neue verkürzte und vergütete Erzieher-Ausbildung. Für die 60 Ausbildungsplätze im ersten Jahr ab August haben sich etwa 220 Interessenten beworben, das zeige, wie überfällig dieser Weg ist, so Steffen Richter.

Die Mitarbeiter in den Kitas brauchen eine klare Perspektive, wie es mit Personal und Betreuungsschlüssel auch über die Legislatur hinaus weitergeht, forderte eine Kita-Vertreterin. Die Liga schlägt dafür die Einberufung einer Monitoring-Gruppe vor. Sie soll definieren und begleiten, wie und in welchen Schritten die Qualitätsstandards in Kitas erreicht werden sollen. Denn klar sei, dass dies nur in einem stufenweisem Prozess geschen kann.