Braucht es noch Inzidenzwerte zur Einschätzung der Lage in der Corona-Pandemie?

Die Forderungen, statt der Inzidenzwerte andere Kriterien zur Bewertung der Pandemie heranzuziehen, werden lauter. Da die Inzidenz die Lage nicht korrekt widerspiegele, solle der Lockdown aufgehoben werden. Erst bei einem Anstieg der Todesfall-Zahlen sollten wieder Maßnahmen erfolgen.

Übertragen auf den Straßenverkehr wäre es genauso, bei einer Gebirgsstraße kein Tempolimit zu verhängen – obwohl bekannt ist, dass die Bremsen ob des starken Gefälles nicht ausreichen könnten. Erst, wenn genügend Fahrzeuge aus der Kurve getragen wurden, wird oben ein Verkehrsschild aufgehängt. Alle, die schon auf der Schussfahrt sind, tragen das Risiko, ebenfalls nicht heil unten anzukommen, weil sie oben zu schnell gestartet sind.

Die Dauer der Covid 19-Inkubationszeit und des Krankheitsverlaufes führen verzögert zum Anstieg der Todeszahlen. Wenn zugleich der Lockdown beendet wird, steigt die Zahl der Kontakte. Infizierte könnten wieder mehr Menschen anstecken. Wird in einer solchen Konstellation erst auf steigende Todesraten reagiert, tobt bereits das exponentielle Wachstum in sehr hohen Fallzahlen. Die Inzidenz, also die Fallzahl der vergangenen sieben Tage im Bezug auf die Einwohnerzahl, braucht es daher weiter als statistischen Frühindikator.

Die aktuellen Inzidenzzahlen sind indes nicht 1:1 mit jenen in der ersten und zweiten Welle vergleichbar. Durch die inzwischen weit verbreiteten Schnell- und Selbsttests werden mehr Fälle entdeckt, die sonst verborgen geblieben wären. Die Dunkelziffer wird geringer. Das lässt Luft für leicht höhere Inzidenzwerte bei Lockerungen. Zumal viele besonders gefährdete Menschen bereits geimpft sind, was hoffentlich die Zahl der Todesfälle pro 1000 Infizierte senkt. Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus bleiben jedoch weiter nötig – so schwer das an einem Osterwochenende und in den folgenden Frühlingswochen auch fällt.