Gera. Fußball: Trotz 6:2-Führung stehen die Geraer im Thüringenliga-Spitzenspiel beim 6:7 (4:1) gegen den SV 1879 Ehrenhain mit leeren Händen da.

„Unfassbar!“, „Total verrückt““, „So etwas habe ich noch nie erlebt!“, „Das werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen!“ -- so lauteten einige der Kommentare der 350 Zuschauer, die am Freitag Abend nach einer denkwürdigen Thüringenliga-Partie kopfschüttelnd das Stadion am Steg verließen.

23 Minuten vor Schluss führte die BSG Wismut Gera im Spitzenspiel gegen den SV 1879 Ehrenhain noch mit 6:2, um sich am Ende noch mit 6:7 geschlagen geben zu müssen.

„Das ist unglaublich. Meine Mannschaft hat in der Halbzeit angesichts der klaren Führung bereits die Glückwünsche zum Sieg entgegengenommen. Wir haben die Spieler zwar gewarnt, aber sie haben uns nicht gehört. Beim 6:2 war nach dem Torwartwechsel die Körperspannung im Team total weg. Wir waren total verunsichert. Trotz einem Gegentor nach dem anderen sind wir immer weiter nach vorn gestürmt. Dadurch haben wir es dem Gegner einfach gemacht“, haderte der ziemlich blasse Wismut-Trainer Marcus Dörfer.

Sein Gegenüber Jörg Böckel tat sich vor Rührung schwer, die richtigen Worte zu finden. „Auf dem Papier war zur Halbzeit alles entschieden. Aber wir haben alle Gegentore der ersten Hälfte den Geraern selbst aufgelegt, uns auch nach dem 2:6 nicht aufgegeben und weiter nach vorn gespielt. Wir haben weiter Vollgas gegeben, uns dann in einen Rausch gespielt. Alles hat geklappt. Wir hätten auch Lotto spielen können. Ich bin so stolz auf die Jungs!“, strahlte der Ehrenhainer Coach.

Beide Mannschaften hielten sich nicht lange bei der Vorrede auf. Ein Knutas-Kopfball strich knapp am Geraer Tor vorbei (2.), ehe Wismut früh in Führung ging. Schubert legte den Ball Richtung Strafraumgrenze zurück. Keller jagte ihn unter die Latte - 1:0 (4.). Nach einer Viertelstunde schon der Ausgleich. Innenverteidiger Bauer unterlief im Zentrum einen langen Ball, was der Ex-Geraer Lehmann eiskalt zum 1:1 nutzte (16.). Die Hausherren hatten sofort wieder die richtige Antwort parat. Söllner bediente Schubert mit einem Pass in die Tiefe. Der Wismut-Kapitän vollendete ohne Mühe - 2:1 (20.).

Beim Gastgeber ersetzte anschließend Dörlitz den indisponierten Bauer, der wie Keller und Hartmann frühzeitig auf Wismut-Seite Gelb gesehen hatte. Die Orange-Schwarzen bestraften die Ehrenhainer Fehler auch in der Folge gnadenlos. Nach Korents Ballverlust im eigenen Strafraum bediente Söllner blitzschnell Heuschkel, der mit langem Bein auf 3:1 erhöhte (27.). Den vierten Treffer markierte Dörlitz per Kopf nach einer Keller-Ecke (39.). Ehrenhain hatte etwas seine Linie verloren und Glück, dass Kießling nach Vorarbeit von Heuschkel nicht noch einen drauf setzte (45.).

Nach Wiederbeginn ging der offene Schlagabtausch weiter. Der durchgebrochene Ebersbach scheiterte an Geenen (46.). Statt dessen erzielte Dörlitz nach Fleißners Fehler nach der nächsten Keller-Ecke am zweiten Pfosten abermals per Kopf das 5:1 (52.). Nach Geenens Patzer, den Zerrenner mit dem 5:2 bestrafte (53.), stellte Heuschkel per verwandeltem Elfmeter - vorausgegangen war ein Foul von Wegner an Kießling - postwendend den Vier-Tore-Abstand wieder her (54.). Eigentlich war alles entschieden. Keiner gab mehr einen Pfifferling auf die Ehrenhainer, die völlig unerwartet binnen sechs Minuten in die Partie zurückfanden. Das verletzungsbedingte Ausscheiden von Wismut-Torwart Geenen, der gegen Schäfer ausgetauscht wurde, verunsicherte die Gastgeber-Abwehr. Der schnelle Korent über die rechte Seite (67.), Ebersbach (69.) und Lehmann, dessen Flanke von Paul abgefälscht wurde und sich so ins lange Eck senkte (72.), verkürzten für Ehrenhain auf 5:6. Als Hartmann wegen Festhaltens Gelb-Rot sah (78.), kamen die Gäste im Anschluss an einen Freistoß zum Ausgleich. Knutas köpfte vor Heuschkel zum 6:6 ein (79.). In der Schlussminute standen die Geraer dann gänzlich mit leeren Händen da. Den Flachschuss des freigespielten Ebersbach versuchte Dörlitz noch abzuwehren, doch kam seine Rettungsaktion zu spät - 6:7 (90.).

Ein vorheriges Festhalten von Lehmann gegen Paul blieb vom ansonsten überzeugenden Referee Steffen Läsker (Wünschendorf) ungeahndet, was den lautstarken Unmut der Zuschauer hervorrief.