Heinz Strunk im Interview: „Ruhestand ist für mich gleichbedeutend mit dem Tod“

Tobias Leiser
| Lesedauer: 7 Minuten
Heinz Strunk macht auf seiner Lesereise zu "Ein Sommer in Niendorf" auch in Jena Halt.

Heinz Strunk macht auf seiner Lesereise zu "Ein Sommer in Niendorf" auch in Jena Halt.

Foto: Dennis Dirksen

Jena.  Der Schriftsteller liest im Jenaer Volksbad aus seinem neuen Roman „Ein Sommer in Niendorf“. Vorab sprachen wir mit ihm über sein Lieblingsgetränk, das nächste große Projekt und die Rente.

Mit „Fleisch ist mein Gemüse“ gelang Heinz Strunk 2004 der Durchbruch. Seitdem ist der Hamburger nicht mehr aus der Literaturwelt wegzudenken. Mit seinem neusten Roman „Ein Sommer in Niendorf“ ist er gerade auf Lesereise und macht am Samstag, den 18. März auch im Jenaer Volksbad halt. Mit unserer Redaktion sprach er über sein Lieblingsgetränk, sein nächstes großes Projekt und die Rente.

Herr Strunk, Thüringen ist gespalten. Vielleicht können Sie als Außenstehender in diesem Disput vermitteln. Gehört Kümmel in eine Bratwurst?

Oh, da ich so selten Bratwurst esse, kann ich das gar nicht beurteilen, aber eigentlich klingt die Kombination ganz interessant. Kümmel habe ich lange nicht gegessen. Früher gab es bei meiner Großmutter immer mal Kümmel-Kartoffeln und natürlich die Kümmel-Stange. Ich versuche es mal aufzunehmen und mir demnächst was mit Kümmel zu überlegen. In den unendlichen Weiten des Netzes wird man ja wohl das eine oder andere schöne Kümmelrezept finden.

Wenn es doch mal Bratwurst gibt, was kommt bei Ihnen drauf, Ketchup oder Senf?

Currywurst natürlich mit Ketchup und Bratwurst mit Senf.

Mal weg von der Küche zum Tresen: Seit Ihrem Erfolg mit „Fleisch ist mein Gemüse“ ist Alkohol ein wiederkehrendes Thema in Ihrem Werk. Auch in Ihrem neusten Buch „Ein Sommer in Niendorf“ spielen Bier und Schnaps eine nicht unerhebliche Rolle. Wie stehen Sie selbst zu Alkohol?

Alkohol zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Und man soll ja nur über Dinge schreiben, von denen man Ahnung hat. Und da behaupte ich mal, dass ich mich darin einigermaßen gut auskenne. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Alkohol. Ich trinke relativ viel und behaupte jetzt mit meinen 60 Jahren, dass ich das soweit hinbekomme, dass ich da nie die Grenze überschreite, wo es ernsthaft problematisch wird. Darauf verzichten möchte ich nicht. Das ist schon ein schöner integraler Bestandteil meines Lebens und so soll es bleiben.

Was ist Ihr Lieblingsgetränk?

Am häufigsten trinke ich Champagner. Der einfachste Champagner-Cocktail der Welt: Ein Stückchen Zucker, dann ein paar Tropfen Angostura und mit Champagner aufgießen.

Wie schätzen sie die Volksdroge Alkohol ein und was macht sie mit uns als Gesellschaft?

Alkohol ist nun mal die Volksdroge Nummer Eins in Deutschland. Jedes Land hat eine und in Europa ist es eben der Alkohol. Das kann man zu viel finden, aber insgesamt geht der Alkoholkonsum in Deutschland ja zurück. Wenn man das mit den 70er- und 80er-Jahren vergleicht, ist es schon besser geworden.

Zurück nach Niendorf: Statt im gleichnamigen Stadtteil Ihrer Heimatstadt Hamburg spielt die Handlung in dem kleinen Niendorf an der Ostsee. Wie sind Sie auf den Ort gekommen?

Ich hatte eine Freundin in Lübeck und die hat mich 1997 mit dem Ort bekannt gemacht. Bis heute bin ich treuer Niendorf-Besucher. Ich war gerade erst vor vier Wochen wieder da.

Nun ist es auch nicht Ihr erster Besuch in Jena. Wie sehr haben Sie sich schon mit der Stadt auseinandergesetzt?

Gar nicht, muss ich gestehen. Mein letzter Besuch liegt bestimmt zehn Jahre zurück. Und damals wurde mir eine leider etwas sehr maue Fest-Gage gezahlt und da bin ich dann mit meinem Booker übereingekommen, dass wir Jena erstmal meiden aus tatsächlich schnöden Gründen: Wenn da nur 60 Leute kommen, das lohnt sich dann einfach nicht.

Und wie war Ihr Eindruck von der Stadt?

Ich bin in so vielen Städten und gehe immer sofort ins Hotel, lege mich meistens ins Bett und verbringe dort die Zeit bis zu meiner Abholung. Ich sehe von den Städten nie was, außer ich bin direkt in der Innenstadt. Tatsächlich bin ich auch kulturell nicht sonderlich interessiert und etwas ignorant.

Ein Buch von Heinz Strunk, das in Jena spielt, können wir also ausschließen.

Das kann man nahezu ausschließen.

Nicht nur Ihre Geschichten, sondern auch Ihr Schreibstil erinnern an Charles Bukowski. Wie viel von ihm steckt tatsächlich in Ihrer Arbeit als Schriftsteller?

Ich habe ihn wirklich sehr, sehr gerne gelesen und lese ihn immer noch gern. Aber stilistisch habe ich mit Bukowski nichts zu tun, vielleicht was die humoristische Komponente angeht.

Bukowski hat die Realität immer unverblümt und knallhart ehrlich dargestellt. Inwieweit ist das auch Ihre Absicht?

Ich versuche bei der Beschreibung von Menschen, der Wirklichkeit so nahe zu kommen, wie es geht, und ich versuche extra nicht zu übertreiben, sondern immer so genau wie möglich zu sein. Und da lade ich die Leute ein, die das irgendwie eklig finden oder abstoßend, mal einen Tag auf einer Autobahnraststätte ihrer Wahl zu verbringen. Was einem da an Deformation und Elend entgegen schreit, das spottet jedem Versuch, das überhaupt in Worte fassen.

Der Rowohlt-Verlag kündigt „Ein Sommer in Niendorf“ als „eine Art norddeutsches „Tod in Venedig““ an. Wie gerne Sie hören Sie es, mit Thomas Mann verglichen zu werden?

Unangenehm ist es ja nicht. Aber ich wäre jetzt nicht darauf kommen. Das ist eine Möglichkeit, das so zu interpretieren oder Parallelen zu ziehen. Das stammt eher von meinem Lektor. Ich habe mir das nicht ausgedacht.

Zum 100. Jubiläum 2024 planen Sie einen zweiten Teil von Manns Zauberberg. Wie steht es um das Projekt?

Die Vorarbeiten sind abgeschlossen. Gerade muss ich mich auf andere Sachen konzentrieren, aber ab Juni geht es richtig los. Am 20. November 2024 wird „Der Zauberberg 2“ erscheinen – genau 100 Jahre nach dem Original.

2029 erreichen Sie das rentenfähige Alter. Inwieweit ist Ruhestand eine Option für Sie?

Ich könnte mich schon längst in den Ruhestand verabschiedet haben, aber das kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Das ist für mich gleichbedeutend mit dem Tod. Ich kann verstehen, dass Leute sich nach jahrelanger harter Arbeiter nach Ruhestand sehnen. Ich bin gerade auf dem Höhepunkt meiner Möglichkeiten angelangt nach 40 Jahren der Vorbereitung und da wäre es ja bescheuert, einfach aufzuhören. Ich glaube da ist noch einiges drin – hoffe ich jedenfalls.

Lesung im Volksbad Jena, Samstag 18. März, 20 Uhr