Redakteur Jens Voigt über die vom Eigentümer blockierte Nutzung des Kulturpalastes Unterwellenborn.

„Zucker muss ran!“ – „Nee, Salz!“ Kim Fischer und Jörg Kachelmann streiten über das richtige Detscher-Rezept, während auf der Bühne das Fernsehballett um die Herde tanzt. Derweil schießen sich im Vestibül die Ex-Trainer Hans Meyer und Ede Geyer auf Torwände in den Farben von Union Berlin und RB Leipzig ein, es geht um den Fußball-Aufschwung Ost. Dann das große Finale: Ute Freudenberg trägt die 25. Version ihrer „Jugendliebe“ vor, führt mit der Puhdys-Rollatoren-Band die Polonaise durchs ganze Haus. Applaus, Abspann. Das MDR-Riverboat aus dem Unterwellenborner Kulturpalast hat fertig.

Anfrage der MDR-Show für Aufzeichnung im Kulturpalast gab es tatsächlich

Eine Fiktion, noch. Aber die Anfrage, die Show des MDR im Palast aufzuzeichnen, hat es vor einigen Monaten wirklich gegeben. „Das wäre eine riesige Chance gewesen, um zu zeigen, was in dem Gebäude steckt“, meint Torsten Ströher, Vorsitzender des Kulturpalast-Vereins. Doch man habe absagen müssen, wie auch den vielen Tanz- und Faschingsvereinen sowie Privatleuten, die im sanierten Südflügel feiern wollten. Denn Palast-Eigentümer Knut Schneider verweigere jegliche Nutzung. Auch der Verein selbst hat Hausverbot, musste seine Räume im Nordflügel verlassen. Selbst zum diesjährigen Tag des offenen Denkmals blieb der Palast zu – die übliche Führung fand nur virtuell statt, als Video-Abspiel im benachbarten Freibad.

Ein Rückschlag, wieder einmal. Im Vorjahr hatte Schneider den Verein noch gewähren lassen, wurde mit Denkmalschutz-Mitteln des Landes das Dach des Südflügels erneuert, am Nordflügel wenigstens notdürftig gesichert. Dann, angeblich wegen mangelnder Unterstützung bei der Suche nach einem Käufer für den Palast, das Hausverbot. Hart für den Verein, der Einnahmen verliert. Härter noch für das Haus, das nicht gepflegt, nicht einmal mehr gelüftet werden kann.

135.000 Euro an Denkmalschutzmitteln stehen bereit, können aber nicht verbaut werden

Als Ende Juni Abgesandte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und von Lotto Thüringen mit einem 10.000-Euro-Scheck für die Sanierung von Fenstern und Türen erscheinen, müssen sie ihn unverrichteter Dinge wieder einpacken – Schneider, lässt den Termin platzen. Rund 135.000 Euro an Denkmalschutz-Mitteln stehen für die Dach-Sanierung am Nordflügel bereit, können aber ohne Einwilligung des Eigentümers nicht verbaut werden. Die dort als Notsicherung gespannte Baufolie hat der Wind längst fortgetragen, Regenwasser arbeitet sich vor, die Decke hat sich um bis zu elf Zentimeter gesenkt. „Wenn wir einen harten Winter mit viel Schnee bekommen, könnte die Decke einbrechen“, sorgt sich Vereinschef Ströher. Umso mehr hofft er, dass Schneider nun auf einen Brief aus dem Landratsamt reagiert, der Aufnahme der bisher investierten Sanierungsgelder in die Grundschuld sowie dem Fortgang der Arbeiten zustimmt. Ansonsten, so Ströher, bleibt zur Rettung des Palasts wohl nur die Enteignung, wie sie Thüringen beim Schloss Reinhardsbrunn durchsetzen konnte.

Zumindest eine Voraussetzung dafür trifft auch für den Kulturpalast zu: seine unbestrittene Einstufung als geschütztes Bauensemble, von Thüringens Landeskonservator Holger Reinhardt Anfang Oktober im Radio erneut bekräftigt. Zwei „Erzählsalons“ haben zudem gezeigt, dass der Palast in den Lebensspuren vieler Menschen tief eingegraben ist und daraus Unterstützung generieren könnte. Von künstlerischer Prominenz kommt sie bereits: An die 30 Musiker, Schauspieler und Autoren haben bisher eine Petition für den Erhalt des Hauses unterschrieben. Nächstes Jahr wird der Kulturpalast 65, was laut Ströher mit einem großen Konzert gefeiert werden soll – drinnen oder wieder draußen.