Jena. In einem offenen Brief beklagt die Burschenschaft nach einer Zunahme der Gewalt den fehlenden Rückhalt in der Gesellschaft.

In einem offenen Brief fordert die Jenaer Burschenschaft von den universitären und städtischen Entscheidungsträgern, die Angriffe auf Verbindungsstudenten zu verurteilen.

„Erfüllen Sie Ihre Aufgabe und Pflicht, dafür zu sorgen, dass Studentenverbindungen nicht länger diskriminiert und verfolgt werden und ihren seit Jahrhunderten angestammten Platz in der Stadt Jena und an ihrer Universität gewaltfrei behalten können“, heißt es in dem Brief, der von den sogenannten Altherrenvertretern der Burschenschaft Armina auf dem Burgkeller, der Burschenschaft Germania und der Burschenschaft Teutonia verfasst wurde. Um die Straftaten aufzuklären, wurde bei der Polizei die Ermittlergruppe „Florian“ gebildet.

Brandanschlag nach der Wahl Kemmerichs

Hintergrund ist der Brandanschlag, bei dem am 6. Februar zwei Fahrzeuge der Jenaischen Burschenschaft Germania in Flammen aufgingen und ausbrannten. Die Burschenschaft ging schnell von einem „linksextremen Motiv“ aus, dessen Ausgangspunkt die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten war. Der jüngste Anschlag reihe sich in in eine Serie von Gewaltangriffen, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hätten.

Dabei reiche die Bandbreite der Delikte von Diebstählen von Studentenmützen, Beleidigungen und Drohungen, Vandalismus in Form von Farbbeutelwürfen, eingeworfenen Fensterscheiben und angezündeten Mülltonnen bis hin zu schweren Körperverletzungen, erklären die Unterzeichner Peter Rosa, Timm Luckhardt und Peer Giemsch.

„Mit den jüngst geschehenen gefährlichen Brandanschlägen auf das Verbindungshaus der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller sowie auf zwei Pkw auf dem Grundstück der Jenaischen Burschenschaft Germania, bei dem billigend die Gefährdung von Leib und Leben der in dem Verbindungshaus lebenden Studierenden in Kauf genommen wurde, erreicht die Gewaltspirale eine neue Eskalationsstufe, die erschreckend ist. Die Stadt Jena ist mittlerweile für Verbindungsstudenten zu einem unsicheren Ort geworden“, heißt es in dem offenen Brief unter anderem.

Eine Ursache für das steigende Gewaltpotential ist nach Angaben der Studentenverbindungen, dass die politisch motivierte Verbreitung von Ressentiments immer stärker begünstigt wird. Dies geschehe zum Beispiel durch die von der „Universitätsleitung tolerierte pauschale und rechtswidrige Ausgrenzung von Studentenverbindungen“ bei universitären Veranstaltungen wie dem „Markt der Möglichkeiten“ durch den Studierendenrat.

Der Sprecher der Friedrich-Schiller-Universität, Axel Burchardt, sagte, dass der Studierendenrat eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei und die Hochschulleitung keinen Einfluss auf das Gremium als Veranstalter nehmen könne. „Das Präsidium der Friedrich-Schiller-Universität verurteilt jede Form von Gewalt gegen Verbindungsstudierende und ihre Häuser“, betonte die Leiterin der Abteilung Hochschulkommunikation, Katja Bär. Die jüngsten Angriffe auf die Burschenschaftshäuser nehme die Hochschulleitung zum Anlass alle aufzufordern, die Rechte, die Freiheit und die Sicherheit Andersdenkender zu bewahren und zu schützen.

Auch die Tatsache, dass die systematische Gewaltausübung gegenüber Studentenverbindungen mit Verständnis bedacht worden sei, fördere das verbindungsstudentenfeindliche Klima in Jena, heißt es in diem offenen Brief der Burschenschaften weiter. Die Burschenschaften erinnern an einen früheren SPD-Stadtrat, der im Mai 2019 nach einer gefährliche Körperverletzung an einem Verbindungsstudenten gesagt habe: „Auch Schärpe tragen, ich mein, man muss jetzt ehrlich sagen, wenn man in einer Stadt, die zum Glück hauptsächlich linksgerichtet ist, mit Insignien von Burschenschaften rumläuft, und es ist nun mal so, dass die Burschenschaften heute zumeist, nicht alle, aber viele eher dem rechten Rand angehören, dann ist klar was man tut. (...) man muss sich auch bewusst sein, wo man sich bewegt.“

Diese Äußerung war allerdings sehr schnell von der CDU kritisiert worden. „Die aus der Mitte unserer Gesellschaft stammenden Studentenverbindungen waren und bleiben ein Teil unserer Stadt“, hieß es unter anderem auf Facebook.

Vertreter von Parteien, Kirchen und Rathaus ohne Meinung?

Jeder, der „linksgerichtet“ in Jena so verstehe, dass Andersdenkenden unbeanstandet Gewalt und Schaden zugefügt werden darf, sollte dringend sein Demokratieverständnis und seine Empathie überprüfen, heißt es in dem Brief weiter. „Erschreckenderweise, oder muss man mittlerweile schon leider sagen, zeittypischerweise, haben wir sie jedenfalls vermisst, die Verurteilungen der geschilderten Gewalttaten an Verbindungsstudenten durch die Vertreter von Parteien, Kirchen, Rathaus, Universität etc., die sonst bei anderen Gewalttaten zu hören sind.“

Um eine zügige Aufklärung der Straftaten zu gewährleisten, wurde bei der Polizei Jena die Ermittlergruppe „Florian“ gebildet. „Da eine politische Tatmotivation nicht ausgeschlossen werden kann, erfolgte die organisatorische Angliederung der Ermittlergruppe ,Florian’ im Kommissariat 4 (Staatsschutz). Im Zuge der Tatortarbeit wurden umfangreich Spuren gesichert und es wurden Zeugen vernommen“, sagte Polizeisprecherin Steffi Kopp. Die Spuren würden derzeit vom Landeskriminalamt ausgewertet, ein Ergebnis liege noch nicht vor.