Jena. Mehr Krankschreibungen in Thüringen. In dieser Stadt gehören die Beschäftigten zu den gesündesten in Thüringen.

Verspannte Schultern, chronische Rückenschmerzen, stressbedingte Erschöpfung oder Burn out – diese Diagnosen finden sich auf immer mehr Krankenscheinen, die Jenaer Berufstätige bei ihren Arbeitgebern 2018 einreichten. „Rückenschmerzen, seelische Leiden und Atemwegserkrankungen sind die Hauptursache für Krankschreibungen unserer Versicherten in der Stadt Jena“, nennt Wolfgang Schakau, Regionalgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse in Jena, Erkenntnisse aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Kasse.

Sorgenvoll schaut er auf die Analyse, die belegt, dass die Fälle von psychischen Leiden innerhalb eines Jahres um 26 Prozent gestiegen sind in Jena. „Und leider müssen wir auch feststellen, dass die Zahl der Krankentage im Vergleich zum Vorjahr insgesamt gestiegen ist – durchschnittlich 19,5 Tage fehlten Jenaer Arbeitnehmer 2018 im Betrieb, einen halben Tag mehr als noch im Jahr zuvor.

Thüringen liegt über Bundesdurchschnitt

Allerdings gehörten die Jenaer Versicherten damit immer noch in die Spitzengruppe der Gesündesten Menschen in Thüringen. Im landesweiten Vergleich habe es demnach nur im Saale-Orla-Kreis, in Suhl und in Weimar noch weniger Krankschreibungen gegeben. „Mit den 19,5 Tagen liegt Jena deutlich unter dem Thüringer Durchschnitt von 22,3 Tagen“ freut sich Schakau. Die Arbeitnehmer aus dem Saale-Holzland-Kreis in unmittelbarer Nachbarschaft zur Großstadt Jena, waren dagegen mehr als drei Tage länger krankgeschrieben, nämlich ganze 22,8 Tage.

Doch schneidet auch die Boomtown Ostdeutschlands mit Berufstätigen, die im Durchschnitt erheblich jünger sind als Arbeitnehmer in anderen Kreisen, im bundesweiten Vergleich deutlich schlechter ab als ähnliche westdeutsche Städte und Regionen. Der Bundesdurchschnitt bei Krankschreibungen lag im Vorjahr bei 18,3 Tagen, den Spitzenwert erreichte Lindau am Bodensee mit nur 12,6 Krank-Tagen.

Thüringen Arbeitnehmer arbeiten jährlich 75 Stunden länger

Dass ganz Thüringen über dem Bundesdurchschnitt liegt, zum Teil mit bis zu sechs Krank-Tagen mehr, sei Beleg dafür, dass es auch 30 Jahre nach der Wende noch deutliche Unterschiede zwischen Ost und West, gibt, sagte Patrick Krug, Pressesprecher der Barmer in Thüringen. Jedoch müsse man dies im Kontext mit anderen Fakten sehen. Etwa dem, dass in Thüringen Arbeitnehmer jährlich 75 Stunden länger als jene in den alten Bundesländern arbeiten. „Gute zwei Arbeitswochen mehr also. Denn die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bewältigen in den neuen Bundesländern rund 40 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In den alten Bundesländern arbeiten lediglich rund acht Prozent der Beschäftigten so lange“, zitiert er Auswertungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2017. „Wer mehr arbeitet, ist mehr krank“, schlussfolgert Krug.

Er hat noch eine weitere Erklärung für die höheren Krankmeldungen im Osten. „Im Westen gibt es viel mehr große Unternehmen. Dort ist es üblich, dass Krankmeldungen erst nach dem dritten Fehltag beim Arbeitgeber eingereicht werden müssen“, erklärt er. In Thüringen und Ostdeutschland generell gebe es überwiegend kleine und mittlere Unternehmen, deren Firmenchefs bei Unpässlichkeiten nicht so kulant seien. Krankschreibungen würden hierzulande meist ab dem ersten Tag gefordert und vorgelegt. „In der Summe macht das einen großen Unterschied“, sagt Krug.

Gesundheitsangebote im Betrieb werden ausgebaut

Dennoch werde das Problem des betrieblichen Gesundheitsmanagements auch von kleineren Unternehmen immer mehr wahrgenommen. „Wirtschaftlicher Erfolg braucht fitte, leistungsfähige Mitarbeiter, diese Erkenntnis ist bei vielen Unternehmern angekommen“, sagt Schakau. Das Angebot der Krankenkassen zu Gesundheitstagen, Vorträgen und Kursen in den Firmen werde immer mehr nachgefragt. Längst seien nicht nur große Unternehmen wie Carl Zeiss, die Sparkasse oder die Stadtverwaltung Partner der Barmer, sondern auch kleinere wie das Maxx-Hotel, Ibismed oder Autohäuser. „Gesundheitsangebote der Unternehmen für ihre Mitarbeiter reichen von Rückenschulkursen und Massage-Freistellungen während der Arbeitszeit bis zur Übernahme von Beiträgen fürs Fitness-Studio. „Das zahlt sich aus, für jeden Mitarbeiter und das Unternehmen, denn im Wettbewerb um motivierte Leute und Fachkräfte bekommen solche weichen Faktoren immer mehr Bedeutung“, ist Schakau überzeugt.

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