Saale-Holzland-Kreis. Astrid Matthey und Olaf Möller sind in den Wahlkreisen 36 und 35 Direktkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen für den neuen Landtag

Das Gespräch mit den beiden Direktkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen aus dem Saale-Holzland-Kreis für den neuen Thüringer Landtag, Astrid Matthey und Olaf Möller, fängt mit Verspätung an. Der Grund: Im Feierabendverkehr staut sich die Redakteurin von Ampel zu Ampel in Jena und braucht bis zum Treffpunkt in Nerkewitz doppelt so lange wie üblich. Das gibt das Stichwort für die erste Frage: Wie realistisch ist die grüne Idee vom Thüringen-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr „Mit 2 Euro durchs Land“ zu kommen?

„Eine Mobilitätsgarantie für alle ist für uns eine Sache der Daseinsvorsorge“, sagt Olaf Möller. „Dafür braucht es Angebote des öffentlichen Nahverkehrs, das Zwei-Euro-Ticket allein nützt nichts, wenn kein Bus in die Dörfer fährt, oder wenn es an Bahnhöfen keine bezahlbaren Parkplätze gibt, damit man vom Auto in den Pendelzug umsteigen kann“, erklärt er. Mit Blick auf das Klimaschutz-Paket der Bundesregierung ergänzt Astrid Matthey: „Wenn wir Dieselmotoren verbieten, dann ist in jedem Fall das gut für die Lebensqualität in den Städten, aber den Menschen auf dem Land, die auf das Auto angewiesen sind, müssen Mobilitäts-Alternativen geboten werden“.

Ähnlich stelle sich die Frage beim Thema Infrastruktur, die wichtig sei, um Unternehmen und Menschen Anreize zu bieten, sich im ländlichen Raum anzusiedeln oder hier zu bleiben. Dafür brauche man leistungsfähige Internetverbindungen, aber auch Kindergartenplätze und Schulen mit verschiedenen pädagogischen Konzepten auf dem Land, so dass junge Familien nicht die passende Schule für ihre Kinder in der Großstadt suchen müssten, ergänzte Astrid Matthey. „Nur so bekommt man junge Familien, hoch qualifizierte Arbeitskräfte, aber auch dringend benötigte Ärzte aufs Land“, ist sie überzeugt.

Die Gesundheitsversorgung für die Landbewohner zu verbessern, das sieht Olaf Möller als dringend für die künftige Thüringer Landespolitik an. „Für viele Ältere ist es oft keine gute Option, nach Jena zum Arzt zu fahren, wenn man doch krank ist“, sagte er. Besser wäre es, Ärztliche Betreuungszentren, ähnlich den Landpolikliniken früher zu haben, in denen Mediziner verschiedener Fachrichtungen angestellt seien. Das würde auch jungen Ärzten die Entscheidung erleichtern, als Landarzt tätig zu werden. Er selbst habe dazu schon Gespräche geführt, damit etwa das Klinikum in Eisenberg auf dieser Strecke aktiver werde.

Als eines ihrer Hauptanliegen formulieren beide Direktkandidaten die Herausforderung, grüne Politik den Menschen auf dem Land besser zu vermitteln, um dafür mehr Akzeptanz zu bekommen. Es sei eigentlich nur schwer zu verstehen, dass die Menschen auf dem Land dem Thema Klimaschutz oft skeptisch gegenüber stünden, Forderungen der Grünen oder der Fridays-for-future-Bewegung als „übertrieben“ ablehnten, erklärte Astrid Matthey. „Wer auf dem Land lebt, sieht doch die Folgen von Klimaveränderungen viel eher und direkter als die Städter – Windbruch und Käferbefall im Wald oder Felder, auf denen Mais und Getreide nicht wachsen, weil Niederschläge fehlen“, sagt sie. „Trotzdem hat es die Windkraft, die eine Alternative für den Einsatz klimaschädlicher fossiler Brennstoffe bietet, gerade im Saale-Holzland-Kreis extrem schwer.“ Das Thema Windkraft im Wald sei hier und überhaupt in Thüringen sehr emotional besetzt, ergänzt Olaf Möller: „Die Politik darf da nicht mit der Brechstange durch, wir müssen den Menschen zuhören, ihre Ängste ernst nehmen“.

Astrid Matthey denkt, „dass die Politik hier einen Informationsauftrag hat“, dass sie die Menschen besser aufklären müsse. „Man muss die Dinge rational betrachten mit Sachverstand, und man muss Sachlichkeit in die Diskussion bringen“, sagt die junge Frau, die beruflich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltbundesamt tagtäglich mit den Folgen von Umweltschäden und Klimaveränderungen für die Wirtschaft zu tun hat. „Wer Windkraft ablehnt, muss sich überlegen, woher sein Strom kommen soll. Um die Leistung der Windräder zu ersetzen, müssten in Deutschland 25 bis 30 neue Atomkraftwerke gebaut werden. Wäre das eine Alternative?“, fragt sie. Und wer für Braunkohlekraftwerke plädiere, müsse auch an die Menschen denken, deren Dörfer den Baggern zum Opfer fallen. „Politiker müssen in diesen Dingen verantwortungsbewusster handeln, es reicht nicht, das Mäntelchen in den Wind zu hängen“, sind sich beide Grünen-Politiker einig.

Astrid Matthey sieht neben den globalen Umwelt- und Klimaproblemen jedoch vor Ort im Saale-Holzland-Kreis auch einigen Handlungsbedarf „bei Umweltproblemen, die nichts mit dem Klima zu tun haben.“ Firmen, die offensichtlich Umweltauflagen missachten wie in Schöngleina oder Bad Klosterlausnitz, müssten Konsequenzen zu spüren bekommen. „Und bei Müllkippen wie in Dornburg oder Schorba sind wir es den Menschen., die dort leben, schuldig, dass dort Ordnung gemacht wird“, sagte sie.

Auch wenn es grüne Politik gerade im Saale-Holzland-Kreis schwer habe, konstatieren Matthey und Möller ein Umdenken bei vielen Bürgern. „Ich möchte die Agrarbetriebe als Partner gewinnen für eine giftfreie Landwirtschaft, für gesunde Nahrungsmittel und mehr Artenvielfalt im ländlichen Raum“, sagte Möller. Dafür müssten die Landwirte Unterstützung bekommen, etwa durch veränderte Förderregularien. „Bisher werden die EU-Fördermittel rein nach der Fläche verteilt, wir wollen das mehr an gesellschaftliche Leistungen, zum Beispiel für die Umwelt binden – an mehr Hecken an den Feldrändern oder an dauerhafte Blühstreifen“, erklärte er. Auch sollten junge Landwirte als Existenzgründer etwa mehr Unterstützung – und Land – bekommen. In der Gesellschaft insgesamt, sehe er ein Umdenken und mehr Bereitschaft, für gesunde und ökologisch und regional erzeugte Nahrungsmittel mehr Geld auszugeben. Das gebe den Bauern, aber auch Dorfläden neue Chancen.