Jena. Das Amtsgericht Jena hat sich mit den Randalen vor dem Drittligaspiel zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und 1860 München beschäftigt. Ein Holzpfosten hatte zwei Polizisten am Kopf getroffen.

Das Justizzentrum Jena ist an diesem Mittwoch das bestgesicherte Gebäude Thüringens. Mindestens zehn Mannschaftswagen der Polizei bewachen das Gelände. Zwei Polizeibusse eskortieren den Justiztransporter, der den Angeklagten bringt: Verhandelt wird aber kein Mord, sondern die gefährliche Körperverletzung zweier Polizisten.

Nach Randalen im Ernst-Abbe-Sportfeld Jena ist ein Eishockey-Fan aus der Schweiz vorm Amtsgericht Jena angeklagt. Ein Großaufgebot der Polizei sicherte das Justizzentrum.
Nach Randalen im Ernst-Abbe-Sportfeld Jena ist ein Eishockey-Fan aus der Schweiz vorm Amtsgericht Jena angeklagt. Ein Großaufgebot der Polizei sicherte das Justizzentrum. © Tino Zippel

Der 26 Jahre alte Angeklagte stammt aus der Schweiz und ist Mitglied der Ultras des Eishockeyclubs Lausanne HC. Wegen einer Fanfreundschaft zu den ­Jenaer Fußballultras besuchte er am Tag des Spiels des FC Carl Zeiss Jena gegen 1860 München die Stadt. Vor der Partie kam es vor dem Stadioneingang zu ­Randale. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, drei Gegenstände auf Polizeibeamte geworfen zu haben, darunter ein neun Kilogramm schweres Kantholz. Ein Geschoss traf zwei Polizisten am Kopf. Das Universitätsklinikum fand zwar keine klinischen Befunde für ein Schädel-Hirn-Trauma, ein Attest bekamen sie aber trotzdem.

Der Angeklagte hatte die Würfe bereits vor der Haftrichterin in Stadtroda eingeräumt. Wegen Fluchtgefahr kam er in Untersuchungshaft. Ein Schnellverfahren scheiterte an den Vorstrafen des Schweizers, wie Staatsanwalt Frank Erdt erläutert. Der reguläre Prozess bei Strafrichterin Wilma Göritz am Amtsgericht Jena startet mit Verspätung. Die Richterin hat sich mit Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertretern ins Hinterzimmer zurückgezogen. Dort wird gedealt: Bei einem Geständnis und der Zahlung eines Schmerzensgeldes von 2000 Euro pro Polizist liegt die Haftstrafe zwischen anderthalb und zwei Jahren und wird zur Bewährung ausgesetzt.

Alle Seiten sind einverstanden: Über seine Verteidigerin lässt der Angeklagte die drei Würfe und den Treffer einräumen und bittet um Entschuldigung. Die Polizeibeamten müssen nicht aussagen. Dafür steht eine Videostunde an: Das Gericht schaut die Überwachungsfilme der Polizei. Darauf ist zu erkennen, dass der Angeklagte ein Kantholz in Richtung der Polizisten wirft, aber nur eine Mülltonne trifft.

Diesen Vorfall hatte der MDR aus einem anderen Blickwinkel auch gefilmt. Es folgen zwei weitere Würfe. Einmal mit einer Plastestange und ein weiteres Holz, das hinterrücks Polizisten am Helm trifft.

Allerdings offenbaren die Videos auch anderes. Etwa, dass einige Polizeibeamten über die Stränge schlagen. So ist zu sehen, wie mehrere Beamte einem am Boden liegenden Fan im Vorbeirennen Tritte in den Rücken versetzen. Als die randalierenden Fans zurückweichen und sich die Lage beruhigt, geht die Polizei erneut auf sie los.

Gewalt trübe den Ruf der Szene

Staatsanwalt Erdt lobt in seinem Plädoyer zunächst die Ul­tras. „Wer im Block der Ultrafans ein Spiel sieht, den reißt es mit, ohne das Spiel überhaupt gesehen zu haben.“ Doch Gewalt trübe den Ruf der Szene. In der Straftat sieht er nicht nur eine gefährliche Körperverletzung, sondern auch einen schweren Landfriedensbruch, also eine aus einer Gruppe heraus verübte Straftat. Er beantragt eine Haftstrafe zwischen anderthalb und zwei Jahren, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. Die Nebenklagevertreter schließen sich an. „Der Angeklagte hat den weiten Weg aus der Schweiz auf sich genommen, um hier sein Unwesen zu treiben“, sagt Rechtsanwalt Matthias Ehspanner. Sein Mandant sei nicht nur verletzt worden, sondern müsse auch psychische Lasten tragen.

Verteidigerin Kristin Pietrzyk erinnert daran, dass durch den Vorfall in der Tat Menschen traumatisiert worden seien. „In Gänze aber wegen des Einsatzes der polizeilichen Zwangsmittel wie Schlagstock, Pfefferspray oder Wasserwerfer“, sagt die Anwältin. Die gefährliche Körperverletzung ihres Mandanten sei unstreitig. Sie plädiert auf anderthalb Jahre Haftstrafe und die Aussetzung zur Bewährung. Eine Verurteilung wegen des Landfriedensbruchs sei nicht möglich, weil der Angeklagte nicht aus der Gruppe heraus gehandelt habe, sondern hinter einem Zaun stand.

Dieser Argumentation folgt die Strafrichterin in ihrer Urteilsbegründung: Wegen gefährlicher Körperverletzung verhängt sie eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. In dieser Zeit darf der Angeklagte keine Sportveranstaltungen in Deutschland besuchen und muss das Schmerzensgeld wie versprochen zahlen. Gerade der angebotene Täter-Opfer-Ausgleich habe sie davon überzeugt, die Strafe auf Bewährung auszusetzen. Letztlich könne der Mann das Schmerzensgeld nur zahlen, wenn er seiner Arbeit in der Qualitätssicherung der Schweizer Eisenbahn nachkomme.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dennoch verlässt der Angeklagte das Gericht auf freiem Fuß – vorbei an allen wachenden Polizeieinheiten.

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