Jena. Der 43-Jährige steckt im dritten Wahlkampf

„Wer mich nicht kennt, kennt Jena nicht“: Michael Gruner trägt das Shirt mit dem Schriftzug. Das Bild ziert Hunderte Flyer, mit denen der 43-jährige den Wahlkampf bestreitet. Tatsächlich ist Gruner bekannt wie ein bunter Hund, kandidiert für den Bundestag und den Stadtrat, steckt knietief im Hartz-IV-System, arbeitet ehrenamtlich, mischt sich gefragt oder ungefragt ein und lässt sich auch von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen. Jetzt kandidiert er für den Landtag im Jenaer Wahlkreis 38.

„Ehrlich. Direkt. Konsequent“ – das steht auf seinen Flyern, so beschreibt er sich aber auch selbst. Gruner sieht sich gegenüber den Parteien als Dorn und Stachel, will sich für Bildung und einen vernünftigen ökologischen Ansatz stark machen und plädiert für einen steuerfinanzierten bargeldlosen Nahverkehr. Der Wahlkampf fordert ihn vielleicht mehr als seine acht Mitbewerber. Das liegt nicht nur an seinem schmalen Budget, sondern auch an dem Grad der Behinderung von 80. „Das schlaucht, körperlich und kognitiv“, sagt er, „aber ich habe auch keine andere Chance, als so auf mich aufmerksam zu machen“.

Ein Interessensvertreter möchte er für jene Menschen sein, die durchs Raster fielen. Und dabei sieht er seine Erfahrungen im Bereich der Inklusion als ein wesentliches Merkmal: Natürlich deckt der 43-Jährige Themen ab, die andere Mitbewerber östlich und westlich der Saale auch verfolgen. Doch immer wieder kehrt er zur sozialen Gerechtigkeit zurück und dem krankmachenden Hartz-IV-System, in dem er seit 2005 und damit von Beginn an steckt: Der gelernte Kaufmann mit kirchenmusikalischer Ausbildung und diversen Zusatzqualifikationen findet seit Jahren keine Beschäftigung. Ein Arbeitsunfall wirft ihn damals aus der Bahn. Er soll nicht der einzige Rückschlag bleiben. Dass Gruner mit viel Optimismus eine Ausbildung zum Diakon beginnt, ihm aber dann gekündigt wird, habe ihn verletzt. Und doch sei er wie ein Stehaufmännchen, es müsse weitergehen, ohne dem Jammern zu erliegen. „Das können andere in dieser Stadt viel besser.“

„Zum dritten Mal beweise ich, dass ich einen Wahlkampf führen kann“, sagt er. Stolz sei er darauf, die formalen Hürden genommen zu haben. Das gelinge nicht allen, betont er und verweist auf die Freien Wähler, die in Thüringen mit ihrer Liste gescheitert sind. Ohne über den Ausgang der Wahl spekulieren zu wollen: Über allem steht bei Michael Gruner der Wunsch nach Arbeit. „Ich möchte auch mal leben, nicht nur träumen, nicht immer aufs Geld achten. Ich möchte endlich einmal eine Tätigkeit haben, die bezahlt wird.“