Erfurt. Für 246.000 Thüringer Schülerinnen und Schüler beginnt nächste Woche in Thüringen der Unterricht. Schon jetzt ist deshalb klar, dass weiter viele Stunden ausfallen werden.

Nur wenige Tage vor dem Start des neuen Schuljahres in Thüringen sind noch gut 300 Lehrerstellen unbesetzt. Das teilte Kultusminister Helmut Holter (Linke) am Dienstag in Erfurt mit. Zum Stichtag 6. August waren noch 341 der insgesamt 1200 ausgeschriebenen Positionen offen.

Laut Holter sollen in diesem Jahr 900 Stellen von Pädagogen nachbesetzt werden, die aus dem Dienst ausscheiden. Hinzu kämen 300 zusätzliche Stellen. Thüringen stelle damit so viele Lehrer wie noch nie ein, sagte er. „Wir ziehen alle Register, um jede offene Stelle auch wirklich besetzen zu können“, erklärte er. Das Angebot der Verbeamtung und die bessere Besoldung für Regelschullehrer seien dabei wichtige Anreize. Darüber hinaus laufe die Werbekampagne weiter.

Helmut Holter: „Der Lehrermarkt ist leergefegt“

Der Lehrerverband und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatten zuletzt mehrfach beklagt, dass Thüringen im Vergleich zu anderen Bundesländern Bewerber zu langsam einstelle. Schon jetzt sei klar, dass auch deshalb im kommenden Schuljahr der Unterrichtsausfall hoch bleibe, hieß es von GEW-Landeschefin Kathrin Vitzhum gegenüber dieser Zeitung. Nach den jüngsten offiziellen Zahlen fielen im vergangenen Jahr an den allgemeinbildenden Schulen 6,6 Prozent des Unterrichts ersatzlos aus.

Holter verwies auf die schlechte Bewerberlage. „Der Lehrermarkt ist leergefegt“, sagte er, einzige Ausnahme sei der nichtnaturwissenschaftliche Bereich in den Gymnasien. „Wir müssen jetzt mit dem vorhandenen Personal den Unterricht absichern“, sagte der Minister. „Das wird aber nicht zu 100 Prozent gelingen.“ In den letzten Tagen vor Schulbeginn müsse daher in den Schulamtsbezirken und an den Schulen selbst „solidarisch geklärt“ werden, wie die Pädagogen verteilt würden. Dazu gehört laut Holter auch, dass die Lehrer örtlich flexibler eingesetzt würden, wobei man soziale Härten vermeiden wolle.

Der Minister erklärte, dass die Einstellungsrichtlinie überarbeitet worden sei. Zudem werde im Internet bis Ende dieses Jahres ein zentrales Karriere- und Einstellungsportal eingerichtet. Die fünf Schulämter blieben aber für die regionale Bearbeitung der Bewerbungen zuständig.

Mit dem neuen Schuljahr werden 18.727 Erstklässler eingeschult

Der Lehrerverband hatte am Montag ein Schreiben des Ostthüringer Schulamts kritisiert, die eine Streichung der Lehrerwochenstunden befürwortet, die für Arbeitsgemeinschaften, Chöre oder Sportförderunterricht genutzt werden können. Die Pädagogen könnten dann in der frei gewordenen Zeit an anderen, unterbesetzten Schulen unterrichten. Holter sagte dazu auf Nachfrage, dass es im Zweifel Dinge wie AG zurückstehen müssten. „Unterricht geht immer vor“, sagte er.

Nach Angaben des Ministeriums werden mit dem neuen Schuljahr 18.727 Erstklässler eingeschult. Insgesamt lernen an staatlichen und freien Schulen 246.250 Schüler. Damit steigt ihre Zahl im Vergleich zum vergangenen Schuljahr um ein knappes Prozent.

Die Anzahl aller staatlichen und freien Schulen, einschließlich der Förder- und Berufsschulen, bleibt laut Ministerium „weitgehend konstant“. Sie sinke leicht von 990 auf 983. Wie der Übersicht zu entnehmen ist, gibt es mit 435 Grundschulen drei weniger als bisher. Auch die Zahl der Regelschulen sinkt leicht um eine auf 189. Die Zahl der Gymnasien bleibt konstant bei 99, während die Zahl der Gemeinschaftsschulen um zwei auf 69 steigt.

Pensionierte Lehrer können stundenweise aushelfen

Unter den bisher 851 neu eingestellten Lehrern befinden sich 54 übrigens Seiteneinsteiger. „Wenn für eine bestimmte Stelle kein Lehramtsabsolvent gefunden werden kann, sind Seiteneinsteiger eine wichtige Unterstützung“, sagte Holter. Gerade in den Naturwissenschaften und in den musisch-künstlerischen Fächern seien Hochschulabsolventen willkommen. Künftig seien aber auch Einstellungen ohne Hochschulabschluss müsse.

Mit einer Seiteneinsteiger-Quote von 6,3 Prozent liege das Land allerdings unterhalb des Bundesdurchschnitts, erklärte der Minister. Dies zeige, dass es Thüringen „vergleichsweise gut“ gelinge, voll ausgebildete Lehrkräfte für den Schuldienst zu gewinnen. Zuletzt warb das Schulministerium bei pensionierten Lehrern darum, auch im Ruhestand zumindest stundenweise auszuhelfen.

Holter sagte, dass mit dem neuen Schuljahr auch die Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung des Digitalpakts in Kraft trete. Insgesamt stünden bis Ende 2023 gut 147 Millionen Euro zur Verfügung. Zehn Prozent seien landesübergreifende Investitionen geplant. Der Rest gehe unmittelbar an die Schulträger, unter anderem für die Ausstattung mit neuer Computertechnik.

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