Erfurt. Es geht um Schießereien, Autogeschäfte und Geldwäsche. Ein 58.000 Seiten umfassendes Dokument an Ermittlungsakten fasst die Mafiastrukturen in Mitteldeutschland zusammen.

Die Erfurter Mafia-Schießerei 2014 geht offenbar auch auf eine Fehde zwischen armenischen und tschetschenischen Gruppen zurück. Nach Recherchen von MDR Thüringen hatte es bereits im Frühjahr 2013 in Weimar eine bewaffnete Auseinandersetzung gegeben. Daran sollen Mitglieder armenischer und tschetschenischer Mafia-Gruppen aus Sachsen und Thüringen beteiligt gewesen sein. Hintergrund war offenbar ein Konkurrenzstreit um Autogeschäfte. Laut einer Zeugenaussage gab es jedoch keine Schießerei.

Dieser Vorfall findet sich in internen Ermittlungsakten, die der MDR zusammengetragen und ausgewertet hat. Dabei handelt es sich um Akten verschiedener Sicherheitsbehörden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die insgesamt 58.000 Seiten geben einen Einblick in die Strukturen russischer, armenischer, georgischer und tschetschenischer Mafia-Gruppierungen.

Armenier haben Tschetschenen verdrängt

Dabei wird deutlich, dass es bereits vor sechs Jahren Konkurrenzkämpfe zwischen armenischen und tschetschenischen Gruppen in Sachsen und Thüringen gegeben hat. In einer internen Analyse des Landeskriminalamtes Sachsen vom Juni 2015 heißt es: „Die Tschetschenen wurden im Laufe der Zeit durch die Armenier verdrängt.“

Laut der Akten soll es um einen millionenschweren Autohandel gegangen sein. Gestohlene Fahrzeuge werden nach Polen gebracht, dort ausgeschlachtet und Ersatzteile auf dem deutschen Markt teuer verkauft. Tschetschenische und armenische Gruppen sind auch am Crystal Meth-Handel in Mitteldeutschland beteiligt. Ermittler gehen davon aus, dass die Gewinne aus diesen kriminellen Geschäften in Immobilien zur Geldwäsche gesteckt werden.

„Friedensverhandlungen“ verhinderten Mafia-Krieg

In den internen Datensätzen finden sich auch Analyseberichte über den Einfluss hoher Autoritäten der russisch-eurasischen Mafia in Mitteldeutschland. In einem vertraulichen Lagebericht werden konkret Personen in Erfurt, Gotha, Leipzig und Halle benannt. Sie sind örtliche Statthalter oder Mafia-Autoritäten. In dem Bericht heißt es: „Sie erhalten Anweisungen der Diebe im Gesetz aus Russland, Belgien und Frankreich“ und setzten diese „in ihren Zuständigkeitsbereichen um“. Dabei konnte u.a. ein solcher „Dieb im Gesetz“ in Belgien namentlich identifiziert werden. Bei „Dieben im Gesetz“ handelt es sich um die höchsten Autoritäten der russisch-eurasischen Mafia, zu der auch die armenische oder tschetschenische Mafia gehört.

Dass es nach der Erfurter Mafia-Schießerei im Juli 2014 keine Racheaktionen oder ein Mafia-Krieg gegeben hat, liegt offenbar an „Friedensverhandlungen“. Das geht aus Protokollen abgehörter Telefongespräche hervor, die wenige Wochen nach dem blutigen Vorfall geführt worden sind. So ist ein einflussreicher Politiker aus der Kaukasus-Republik Dagestan nach Berlin und Erfurt gereist. Er hatte offenbar zwischen armenischen und tschetschenischen Bossen vermittelt. Bei Verhandlungen in Belgien und Moskau sollen die Differenzen durch Geldzahlungen beigelegt worden sein.

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