Frank Quilitzsch sorgt sich um den Reichtum der Sprache

Liebe Leserinnen und Leser! Pardon, liebe Leser*innen! Ich will niemanden ausschließen. Aber ich muss – denn ich bin ein alter weißer Mann – einmal sagen, dass mir die im Namen von politischer Korrektheit und Geschlechtergerechtigkeit um sich greifende Bereinigung, Verwässerung und Verstümmelung unserer schönen, reichen deutschen Sprache (die natürlich auch reich an historischen Missbildungen, patriarchalischen Anmaßungen und drastischen Bildern ist) gehörig auf den Sack geht.

Das sage ich so, weil es meinem Naturell entspricht. Dabei spreche ich nicht für das männliche Geschlecht, sondern einfach, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

Jetzt werden vermutlich die Tierwohlwächter aufschreien, denn ein weißer Mann mit Sack und Schnabel, das beleidigt natürlich die Vogelwelt. Sei’s drum. Ich will hier auch kein Hühnchen rupfen, sondern den Stier bei den Hörnern packen: Wird wirklich das weibliche und diverse Geschlecht durch unsere historisch gewachsene und literarisch verfeinerte Sprache diskriminiert? Ist es nicht längst so, dass blinder Eifer und Dummheit Dichtung und Dichter beleidigen? Wie kann, wer die geschichtlichen Prägungen der Sprache ignoriert und nicht in der Lage ist, zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht zu unterscheiden, vorschreiben wollen, wie er, sie oder es zu sprechen hat?

Die Debatte nimmt immer groteskere Züge an. Darf, so wird jetzt am Beispiel der jungen Lyrikerin Amanda Gorman erörtert, eine weiße Person Texte einer schwarzen Autorin übersetzen, die über Rassismuserfahrungen schreibt? Muss man, frage ich, um Unrecht zu empfinden, unbedingt schwarz sein? Dürfen demnächst nur noch Schwarze über Schwarze und Weiße über Weiße schreiben?

Früher wurden kostbare Säcke zum Trocknen an der Grundstücksgrenze ausgebreitet. Trat jemand auf den Sack, überschritt er eine Grenze und ging dem anderen sprichwörtlich „auf den Sack“.