Frank Quilitzsch über das wichtigste Bedürfnis der Deutschen.

Alle schreiben über Homeoffice, über familiäre Enge und mangelnde Kontakte, über ängstliche Corona-Kinder, die jetzt in den Arbeitspausen auf dem heimischen Sofa gezeugt werden. Ich nicht. Ich habe dringendere Probleme.

Von wegen „My home office is my castle“! Es ist die Hölle, vor allem wenn das Klopapier alle ist und man keine öffentliche oder betriebliche Toilette aufsuchen kann.

Natürlich habe ich von den Hamsterkäufen gelesen und gelacht, wenn Menschen mit vier oder fünf Packungen an mir vorbei gehuscht sind, mit abgewandtem Blick, weil sie nicht erkannt werden wollten. Doch wir hatten ja noch ein paar Rollen.

Aber plötzlich, wenn man nicht mehr damit rechnet, tritt der Ernstfall ein: „Ich muss mal“, sagt T.

„Na, dann geh’ doch!“

„Das Toilettenpapier ist aber alle.“

Es ist Samstag, ich fahre zum Supermarkt. Ich muss keinen Abstand einhalten, denn es sind kaum Kunden da. Die Obstregale sind gut gefüllt, vor allem mit den teureren Bio-Produkten, auch Joghurt, Käse und Kaffee gibt‘s reichlich. Dann der Schock: Kein Klopapier! Dort, wo sonst zehn bis zwölf Sorten lagern, gähnende Leere.

Ich setze einen Notruf ab, K., E. und T. schwärmen aus. Irgendwo in der Stadt muss es doch noch welches geben.

Ich bin frustriert über die Anfälligkeit der freien Marktwirtschaft. Mein Gott, mit welchen Engpässen hatten wir in der DDR zu kämpfen. Mal gab’s keine Butter, mal keinen Kaffee und in heißen Sommern gingen die Getränke aus. Doch Klopapier gab’s immer. Das graue, raue, reißfeste mit hohem Härtegrad, es erfüllte seinen Zweck. Nur wenn uns Jaqueline aus Basel besuchte, brachte sie ihr nach Kamille duftendes Lieblingswestklopapier mit, von unserem bekam sie einen wunden Po.

Daran erinnere ich mich, als K. freudestrahlend ihre Packung auf den Tisch legt: Vierlagig, weich und duftend. Mandelmilch! Die letzten acht Rollen zu einem exorbitanten Preis. Mandelmilch, erklärt mir K., sei der Mercedes unter den Milchersatzprodukten, also das Beste für meinen Po.

Ich muss jetzt dreimal täglich und trage den Frühlingsduft durchs ganze Haus.