Hajo Schumacher über digitale „Tracker.“

Heute beginnen wir mit einer Schätzfrage: Wenn Sie – ja, genau Sie – eine völlig unverdächtige Webseite ansteuern, die Startseite Ihrer Lieblingszeitung zum Beispiel, wer erfährt davon? Klar, der Seitenbetreiber als Gastgeber, das ist verständlich. Aber wer noch? Mark Semmler hat seinen Laptop aufgeklappt und lässt ein Programm laufen, das sogenannte „Tracker“ identifiziert, also Verfolger, die sich an jede unserer digitalen Spuren heften.

In wenigen Sekunden erscheint auf Semmlers schwarzem Bildschirm ein Geflecht von Punkten und Linien, das immer dichter wird. Nein, dass ist nicht das ganze Internet, sondern allein unsere Spur, unser ganz individueller Weg durchs Netz mit allen Knoten, Weiterleitungen und Abzweigungen, von denen wir nicht einmal etwas ahnen. Etwa zwei bis drei Dutzend solcher Spione heften sich an jede unserer digitalen Bewegungen, ob im Dienst von Google, Facebook, Amazon oder als Teil von Apps.„Das bin ich“, sagt Mark Semmler, einer von Deutschlands führenden Experten für IT-Sicherheit, und deutet auf das Liniengewirr auf seinem Bildschirm. Er schaut von Berufs wegen dorthin, wo Otto Normalsurfer mangels Wissen und Interesse nur selten unterwegs ist. Und fast jeder Knotenpunkt auf Semmlers Bildschirm gehört zu ein und demselben Unternehmen: Google. So bezahlen wir scheinbar kostenlose Dienste wie Suche, Navi oder Speicher.

Mögen wir uns auch privat fühlen, wenn wir durch die digitalen Weiten schleichen – jeder unserer Klicks wird gesehen, gespeichert, gehandelt und mit allen möglichen anderen Daten kombiniert, ohne dass wir davon erfahren. Das Schnüffeln ist legal, denn wir selbst haben es erlaubt, mit jedem achtlosen Klicken auf „Okay“, wenn nett nach dem Zulassen sogenannter Cookies gefragt wird.

Könnte man die digitalen Agenten abschütteln? „Zumindest könnte man das Hinterherschnüffeln ein wenig erschweren“, sagt Mark Semmler. Und das ist gar nicht so schwer, wenn man erstens jedes einzelne Update zulässt, zweitens den Browser-Verlauf löscht und damit die Cookies abschüttelt und drittens die Sicherheitseinstellungen der Geräte durchgeht. Zudem sollte man Apps möglichst nie das General-Okay für den Zugriff auf alle Daten erteilen, sondern möglichst nur für eine Nutzung. Klingt etwas mühsam, ist es auch. Aber wenn wir unser Auto oder Fahrrad täglich aufwendig sichern, beschwert sich ja auch keiner.