Elena Rauch über Beziehungsdynamik

In unserer Wohnung gibt es einen winzigen fensterlosen Raum, wir nennen ihn die Kammer des Schreckens. Dort landen alle Dinge, von denen wir nicht wissen, wohin damit. Pfandflaschen, Besen und andere diverse hoch komplexe Reinigungsgeräte die nicht mehr funktionieren, Eimer mit und ohne Henkel, angebrochene Flaschen mit Rohrreiniger, ein Brotbackautomat mit fehlendem Knethaken.

Wenn Besuch da ist, bin ich in ständiger Sorge, jemand könnte auf der Suche nach dem Badezimmer versehentlich in der Kammer landen und unser Ruf wäre ruiniert. In der Physik gilt die Entropie als Maß für Unordnung, die mit der Zeit gar nicht anders kann, als zu wachsen.

Die Kammer des Schreckens beweist, dass die Theorie stimmt. In unregelmäßigen Abständen räumen wir sie auf, die Initiative geht dann immer von mir aus, ich habe die schwächeren Nerven. Einem Mann, von Natur aus mit dem größeren Verständnis für naturwissenschaftliche Zusammenhänge ausgestattet, ist natürlich klar, dass man die Gesetze von Zeit und Physik nicht überlisten kann. Da sie universal wirken, muss das neben der männlichen Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung einer der Gründe sein, warum Frauen doppelt so viel Zeit mit Hausarbeit verbringen wie Männer.

Davon ging ich aus, bis ich neulich etwas vom „All-seats-are-taken-Prinzip“ las: Egal, worum es geht, wenn von einem Partner ein bestimmter Platz belegt ist, wird ihn der andere nicht ungefragt einnehmen. Das hat mit Beziehungsdynamik zu tun. Wenn zum Beispiel einer die Rolle des Verschwenders spielt, übernimmt der andere gewissermaßen instinktiv die des Finanzministers.

Wenn eine Frau einmal damit angefangen hat, die Hüterin der häuslichen Ordnung zu sein, kann er das nicht auch noch machen. Er muss sich zusammenreißen und warten, bis der Platz frei wird. Sonst würde das ganze fragile Gleichgewicht in der Beziehung zusammenbrechen. Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass Frauen an allem selbst schuld sind.