Jena. Deutsche Kulturschaffende rufen zur Unterzeichnung einer Petition auf, die das Ziel verfolgt, den verfassungsrechtlichen Stellenwert von Kunst und Kultur zu stärken.

Skeptisch äußert sich Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Universität Jena zur Initiative "Kultur ins Grundgesetz". Diese sammelt gerade digitale Unterschriften für eine Online-Petition, um den Schutz von Kunst und Kultur sowie die unbeschränkte Teilhabe aller am kulturellen Leben als Grundrecht zu verankern.

"Ich glaube, eine solche Formulierung hat keine Aussicht auf Erfolg", erklärt Brenner auf Nachfrage. Das Grundgesetz gehe generell ganz spärlich mit solchen unmittelbaren Ansprüchen um, die direkt aus ihm abgeleitet werden könnten und also individuell einklagbar wären. Eine Ausnahme sei etwa die Gleichstellung unehelicher mit ehelichen Kindern.

Ansonsten setze die Verfassung auf konkrete Umsetzungen durch den Gesetzgeber. Andernfalls seien auch zu viele Unwägbarkeiten mit Grundrechten auf Kultur verbunden. "Was soll ein solcher Anspruch dann konkret bedeuten? Darf ich dann kostenlos ins Kino oder ins Museum? Jeder Verwaltungsjurist würde etwas anderes darunter verstehen." sagt Brenner.

Deshalb sei das Staatsziel Natur- und Tierschutz, dessen Durchsetzung 20 Jahre dauerte, laut Artikel 20a des Grundgesetzes ausdrücklich "nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung" verankert. Adäquat dazu hält Brenner eine allgemeine Staatszielbestimmung Kultur für den besseren Weg.

Eine solche hatte zuletzt 2005 die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" dem Bundestag empfohlen, als Artikel 20b: "Der Staat schützt und fördert die Kultur." Bislang ist das zwar gescheitert. Aber so etwas brauche immer einen langen Vorlauf, so Brenner.

Die Wirkung dessen möge zwar in erster Linie eine plakative sein, meint der Rechtswissenschaftler. "Aber wenn so etwas in der Verfassung steht, wird es mehr zur Kenntnis genommen und fließt deutlicher in Entscheidungen des Gesetzgebers, der Gerichte oder der Verwaltung ein."

In einer Pandemiesituation wie der aktuellen allerdings würde man damit nicht zu anderen Ergebnissen kommen können, als zum Beispiel Einrichtungen zu schließen, so Brenner auf Nachfrage. "Auch ein Staatsziel Kultur müsste man immer in Abwägung bringen mit der staatlichen Schutzverpflichtung für Leben und körperliche Unversehrtheit!" Das ginge im Zweifelsfall zulasten anderer Grundrechte, auch wenn diese im Regelfall gewichtiger sind als Staatsziele. "Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat", erinnert Brenner.

50.000 Unterschriften werden für Petition benötigt

Im vergangenen Jahr fanden unter Pandemiebedingungen vereinzelt Kulturereignisse als Hybridveranstaltungen statt, unterm Deckmantel der Demonstrations- oder Religionsfreiheit. Doch wurde auch das eingeschränkt.

In der nunmehr fünften Woche sammelt "Kultur ins Grundgesetz" Unterschriften. Noch bis zum 24. Januar ist Zeit, die für eine Petition nötigen 50.000 Unterschriften zu erreichen. Bislang kam knapp ein Drittel davon zusammen. 750 Thüringer sind darunter.

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