Erfurt. Elmar Otto über den doppelten Ramelow.

Es ist mitunter schwer, zwischen dem Menschen und dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu unterscheiden. Aus biologisch-politischer Sicht ist er beides. Aber der Linke betont gerne mal das eine, mal das andere. So will er sich als Amtsträger nicht angreifbar machen. Denn vor dem Thüringer Wappen darf er zwar Stellung nehmen, es jedoch nicht mit seiner persönlichen Meinung überziehen.

Für seinen Klartext gegen NPD, AFD oder andere wird der Linke von Anhänger gefeiert und Kontrahenten gescholten. Das eine schmeichelt ihm, das andere interessiert ihn nicht oder bringt ihm bei der eigenen Basis sogar noch mehr Sympathien ein.

In dieser Woche menschelte es wieder besonders. Als er Tage vor der Entscheidung durch Fraktions- und Parteispitzen, die Landtagswahl zu verschieben, im ZDF sehr deutlich dafür plädierte, sprach natürlich nicht der ins Regierungskorsett gezwängte Ministerpräsident, sondern Bodo Ramelow aus Erfurt.

Der Auftritt des polarisierenden Zwitterwesens (nicht zu verwechseln mit Twitterwesen, das Ramelow bekanntlich auch ist) führte unter rot-rot-grünen Koalitionären zu ernsthaften Magenverstimmungen, die in Brechreiz mündeten. Die eigentliche Formulierung eines führenden Mitglieds der Minderheitsregenten war um einiges drastischer, aber so gar nicht frühstückfreundlich, weshalb sie an dieser Stelle nicht protokolliert wird.

Am Donnerstagabend nun hat R2G - mit freundlicher Unterstützung der sich als verlässlicher Koalitionspartner in spe erwiesenen CDU - die Landtagswahl ganz offiziell an die Bundestagswahl im September angedockt. Und nachdem dies vollbracht war, meldete sich auch Ramelow erneut, dieses Mal als Ministerpräsident versteht sich, und begrüßte die Entscheidung als "notwendig" und "verantwortungsvoll".

Zweite Amtsperiode vom Coronavirus geprägt

Recht hat er ja. In welcher Eigenschaft auch immer. Schließlich sind die Covid-19-Infektionszahlen im Freistaat weiter dramatisch hoch.

Seine zweite Amtsperiode ist vom Coronavirus geprägt. Aber weil es mittlerweile ein Mittel dagegen gibt, ließ es sich Ramelow nicht nehmen, in Weimar eines der dafür eingerichteten Impfzentren zu besuchen. Gemeinsam mit der Parteifreundin und Gesundheitsministerin Heike Werner war er in obrigkeitsstaatlicher Mission unterwegs und zeigte zugleich allzu menschliche Züge - in Bezug auf Spritzen. "Wenn der Piks um die Ecke kommt, sage ich immer zu meiner Frau: Geh Du vor, ich komme später", witzelte er über seine Art der Konfrontationstherapie mit der eigenen Angst.

Dass Ramelow ansonsten weniger ängstlich ist, aber dafür - ob als Würdenträger, Privatperson oder Parteigänger - besonders meinungsfreudig, bewies er, als er sich für den verbindlichen 15-Kilometer-Radius im Kampf gegen die Pandemie einsetzte.

Als die Idee aufkam, saßen wir zunächst etwas ratlos vor dem Laptop, der die Umgebungskarte zeigte. Doch beim Blick ins Kinderzimmer kam uns dann der rettende Einfall: Ein Flitzebogenpfeil mit Gummistopfen, ein Faden und ein Filzschreiber - mehr braucht man in der modernen Welt nicht, um auf dem Bildschirm sein Ausgehrevier zu markieren.

Glücklicherweise fanden wir noch rechtzeitig den alten Stadtplan samt Zirkel wieder.

Alles menschlich, irgendwie.

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