Zeulenroda-Triebes. Corona vertreibt den Geist der Jugend (aber lange nicht die Hoffnung).

„Sorry, we’re closed“ (Entschuldigung, wir haben geschlossen) steht auf einem hellblauen Blechschild im Retro-Stil der1950-er Jahre an der Eingangstür. Daneben die inzwischen allzu gut bekannten Hinweisschilder. Immerhin auch auf buntem Grund gedruckt heißt es: Maske auf! Hände desinfizieren! Die Aufkleber von Bands, Plattenlabels und Konzertankündigungen an der massiven Holztür vom Schieszhaus gehen neben ihnen fast unter.

Zwischen Zufluchtsort und Behördencharme

Der Leiter des Jugendtreffs Falko Siegert ringt mit der Stimme, während er die Tür seit langem mal wieder aufschließt. „Es fällt mir echt schwer, darüber zu sprechen. In der Pandemie haben viele Dinge gelitten, die dieses Haus ausmachen. Die Nähe, das Familiäre und die Ungezwungenheit“, sagt er. Doch für viele Jugendliche war es seit Beginn der Krise eben auch ein Zufluchtsort in einer Welt, die für sie schlagartig geschrumpft war. Ein Ort zum Freunde treffen, spielen und abschalten. Dann kam Lockdown Nummer 2 – und die Türen blieben zu.

Zwei Gesichter mit einer gemeinsamen Gestalt

Das „Schieszhaus“ in der Kleinwolschendorfer Straße hat zwei Gesichter, die aber doch eine gemeinsame Gestalt teilen. Es ist ein Jugendtreff mit eigener Skaterbahn im Obergeschoss. Die Stadt und der Jugendverein Römer sind der Träger der Jugendeinrichtung. Es ist aber auch ein alternativer Veranstaltungsort für Bands, DJs und andere Künstler. Zumindest die tägliche Arbeit mit den jungen Menschen lief bis zum Lockdown im November weiter. Das letzte Konzert fand lange vorher am 20. März statt. Durch die Doppelfunktion des Ortes trifft auf das Schieszhaus die oft zweifelhafte Formulierung „für Jung und Alt“ tatsächlich zu. Der gemeinsame Nenner von Jugendarbeit und alternativer Konzertszene: Ein Ort zum freien Entfalten. „Kurz vor dem erneuten Lockdown wirkte alles immer steriler“, sagt Falko Siegert.

Sterilität statt Gemütlichkeit

Im Inneren setzt sich der Kontrast von der Eingangstür fort. Desinfektionsspray, ein Stopp-Schild vor der Toilette, das nur einer Person erlaubt, einzutreten und viele schriftliche Erinnerungen an die Abstandsregeln. In einer Ecke verstaubt das Schwesterschild der Tür mit Aufschrift „Come in we´re Open“. (Kommt rein! Wir haben offen) Viele der gemütlichen Sitzgelegenheiten wurden entfernt, um die maximale Anzahl von Menschen in einem Raum zu begrenzen und umzusetzen. In der Skatehalle nebenan rollte bis zuletzt die Skateboard, Fahrräder und Roller – weil es als Individualsport durchging. „Bei allen Einschränkungen war es gut, dass es in der Halle weiter ging. Man hat regelrecht gespürt, dass es den Kids gut tut“, sagt Falko Siegert.

Offene Türen und Ohren

Im Rahmen der offenen Jugendarbeit steht die Tür den Jugendlichen hier normalerweise sprichwörtlich jeden Tag offen. Die Kids kommen, melden sich bei einem der Mitarbeiter kurz an und können dann im Haus skaten, Tischtennis spielen oder einfach nur mit Freunde abhängen. Falko Siegert und Kollegen leihen ein offenes Ohr, wenn es etwas zu besprechen gibt.

Vor der Schließung erklärten zahlreiche Hinweisschilder das Verhalten in der Jugendeinrichtung.
Vor der Schließung erklärten zahlreiche Hinweisschilder das Verhalten in der Jugendeinrichtung. © Norman Börner

Doch bereits zu Beginn der Pandemie sieht das schnell anders aus. Kontrolle am Eingang. Namen und Anschriften notieren. Maximal sechs Leute in einem Raum sind erlaubt. Später als die Infektionszahlen steigen, gilt die Maskenpflicht schließlich im ganzen Haus. Mehr als 200 Personen stehen am Ende auf der Liste der Besucher. „Irgendwann mussten wir auch die Entscheidung treffen, keine weiteren Jugendlichen mehr aufzunehmen“, sagt Falko Siegert. Das fällt allen Beteiligten schwer.

Fokus auf jungen Heranwachsenden

Gleich im März fällt auch die Entscheidung, den Fokus in der Pandemie auf die jüngeren Heranwachsenden zu legen. Das Schieszhaus hat nun häufiger geöffnet, macht allerdings bereits um 19 Uhr die Schotten dicht. „Wir wollten ja kein Ersatz für nicht mehr geöffnete Kneipen sein“, sagt Falko Siegert. Und es sind damals eben genau die jüngeren Heranwachsenden, die seiner Meinung nach in dieser Phase unbedingt einen Ort brauchen. „Die Jugendlichen finden natürlich Wege, um andere zu treffen. Aber eben unkontrolliert und ohne ein bisschen Kontrolle“, sagt er.

Zwischen Bedauern und Befreiung

Obwohl viel der Lockerheit verloren geht, kommen die jungen Menschen weiter. Viele halten sich an die Vorgaben, aber eben nicht alle. „Das ist für uns alle natürlich auch eine blöde Situation gewesen, ständig wegen der Masken zu ermahnen. Das meine ich unter anderem, wenn ich sage, die Seele des Hause ging irgendwie verloren. Aber es war nun mal nötig“, so Falko. Zudem ist damals auch täglich die Angst da, dass sich im Haus jemand ansteckt. Bei Eltern, Mitarbeitern und auch bei einigen Jugendlichen. Irgendwie sei es deshalb dann fast befreiend gewesen, als mit dem zweiten Lockdown der Stecker gezogen wurde.

Falko gießt im Hauptraum einen Kaffee ein. Hier schlägt eigentlich das Herz des Hauses. Auf Couches, Sesseln und Sofas tummeln sich normalerweise die jungen Besucher. Am Ende durften hier noch sechs jungen Menschen mit Maske und Abstand Platz nehmen. „Es tut natürlich weh. Mein Gefühl ist, dass Corona derzeit zu einer sozialen Verarmung führt. Da ist mir vor allem bei den Kindern und Jugendlichen in letzter Zeit aufgefallen“, sagt Falko.

Galgenhumor und hoffen auf das Jahr 2021

Dazu zählt dann eben auch das Fehlen von Konzerten und Kultur. Im Sommer habe man einige Anfragen für Konzerte gehabt, dies aber schnell wieder verworfen. „Tanzen, Ekstase, Mitsingen, Emotionen: Alles, was gute Konzerte ausmacht, ist derzeit schwer denkbar“, sagt Falko. Aber es wird wiederkommen, hofft er. Als er die Tür wieder schließt fällt noch ein Zettel ins Auge. „Wir hoffen und wünschen, euch an diesem wundervollen Ort baldmöglichst gesund und fit wieder treffen zu können. Kommt gut durch die folgende Zeit, gebt auf euch und eure Mitmenschen Acht. 2021 wird hoffentlich ‚noch‘ besser. Alles Gute euch!“.