Jena. Seit dem Frühjahr wertet der Jenaer Michael Böhme die Entwicklungen rund um Corona in Thüringen aus.

Neben Lockdown, Krankheit und Leid produziert die Pandemie viele Zahlen. Wie entwickeln sich Infektionen, wie viele Menschen kommen in Kliniken, wie viele werden beatmet oder sterben? Und was passiert in der eigenen Region? Alles Wichtige zur Corona-Pandemie in Thüringen lesen Sie in unserem Blog

Aus privatem Interesse und weil er es kann, analysiert der Jenaer Michael Böhme Thüringer Entwicklungen und stellt sie grafisch auf seiner Homepage und in sozialen Netzwerken zur Verfügung. Was im Frühjahr mit Informationen aus seiner Heimatstadt Jena begann, ist heute auch eine wichtige Informationsquelle für Menschen in Erfurt, Weimar, Gera und Thüringen insgesamt.

Von Haus aus ist Böhme theoretischer Chemiker an der Uni Jena. Computer und Algorithmen gehören da von jeher dazu. Ein RKI-Dashboard gab es im Frühjahr noch nicht. Die oft zitierte Johns Hopkins University liefert keine deutschen Regionalzahlen. Datentransparenz sei aber nötig, um etwa Vertrauen für Beschränkungen zu schaffen, sagt Böhme.

Seit Pandemiebeginn immer mehr Quellen

Seit Pandemiebeginn hätten sich immer mehr Quellen aufgetan, die häufig zeitlich versetzt abweichende Fallmeldungen veröffentlichen. Bis die Meldekette beim RKI ankomme, vergehe viel Zeit. Mit seinen Analysen versucht Böhme, Erkenntnisse verständlich zu ordnen. Mittlerweile läuft die Aufarbeitung automatisch.

In die Datenwissenschaft (Data-Science) habe er sich autodidaktisch reingearbeitet, sagt Böhme. Seine Scraper, übersetzt „Bildschirm-Auskratzer“, fischen nicht nur stündlich auf ausgewählten Internetseiten nach neuesten Veröffentlichungen. Um Fehlerquellen auszuschließen, prüfen die Programme auch deren Plausibilität. Nicht überall funktioniert das gleich. So gebe etwa das Weimarer Land auf seiner Webseite keine Zahlen raus. Andere packen sie in Pressemitteilungen. Den Wortlaut auszulesen, übersteigt Böhmes Kapazitäten. Problematisch war die Datenlage auch zwischen den Feiertagen, als weniger getestet und gemeldet wurde.

Berechnen kann man allenfalls Wahrscheinlichkeiten für die nächsten sieben Tage

Für seine Internetseite verwendet Böhme nur öffentlich zugängliche Daten. Seit Herbst arbeitet er zudem in der Forschungsgruppe Pandemiemanagement, ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Uniklinik Jena, des Leibniz-IPHT und der Uni Erfurt, das von der Landesregierung finanziert wird. Wichtig sei ihm eine strikte Trennung zwischen seinem privaten Engagement und dem für das Land. Datenschutz bei konkreten Alters- und Ortsangaben findet er wichtig.

Mit Prognosen ist er generell vorsichtig. Berechnen können man allenfalls Wahrscheinlichkeiten für die nächsten sieben Tage, etwa wie viele Menschen welchen Alters in den nächsten Tagen hospitalisiert werden oder auf eine Intensivstation kommen. Mittlerweile seien diese Modelle sehr verlässlich. Umso besser könnten sich Kliniken vorbereiten.

Hier wäre mehr möglich, findet der Wissenschaftler. Gespräche mit dem RKI über Daten zu Krankheitsverläufen, Alters- oder räumlicher Verteilung kämen aber bislang nicht voran. Weitermachen will Michael Böhme mindestens so lange, wie die Pandemie dauert.

  • Mehr Informationen unter www.michael-böhme.de/corona oder bei Twitter unter @theochemiker.

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