Jena/Erfurt. FDP- und CDU-Politiker liebäugeln im Osten mit Sonderwirtschaftszonen. Regulierungen könnten gelockert werden, sogar Ausnahmen wären möglich.

Der Osten als Testfeld für neue Wirtschaftspolitik? Glaubt man der FDP und Teilen der CDU, dann ist das denkbar. Die FDP-Bundestagsfraktion etwa zitiert im Antrag zur „Gründerrepublik Deutschland“ 2019 eine Studie der Wirtschaftsforscher des Münchner ifo-Instituts, wonach eine Mehrzahl der Wirtschaftsprofessoren in Deutschland nicht daran glaubt, dass der Osten innerhalb der kommenden Jahre wirtschaftlich aufschließen kann. Das will die FDP ändern und strebt an, in Ostdeutschland „Freiheitszonen“ einzurichten. Hier „sollten bundesrechtliche Regulierungen und Vorschriften beseitigt oder gelockert werden bzw. landesrechtliche Ausnahmen zugelassen werden.“

Getragen ist das Papier von der Annahme, dass sich nicht nur Unternehmen, sondern auch Eigenheimbauer und normale Bürger von Behörden oft eher gegängelt als ernst genommen fühlen. Oft ist zu hören, dass das in der Nachwendezeit nicht so gewesen sei. Behörden hätten damals eher das Streben gehabt, Unternehmertum oder Bauprojekte zu unterstützen und nicht sie zu verhindern.

Mihajlo Kolakovic, Chef des CDU-Wirtschaftsrates in Thüringen, spricht sich für „Experimentalzonen“ aus.
Mihajlo Kolakovic, Chef des CDU-Wirtschaftsrates in Thüringen, spricht sich für „Experimentalzonen“ aus. © Florian Girwert

Ähnliche Vorstellungen hat man auch im CDU-nahen Wirtschaftsrat. Dessen Landesvorsitzender Mihajlo Kolakovic sagte unlängst, man könne in Teilen Thüringens sogenannte „Experimentalzonen“ einrichten. „Dort könnte man streichen, was an Vorschriften nicht entscheidend ist. Anfangen sollten wir mit geänderten Genehmigungsverfahren. Wenn vier Wochen nach Bauantrag kein Bescheid vorliegt, ist das Vorhaben genehmigt. Neue Verordnungen könnten immer erst einmal zwei oder drei Jahre gelten und damit einfach auslaufen, wenn sie sich nicht bewähren.“

Gründer von Umsatzsteuervoranmeldung befreien

Behörden sollen nach Willen der FDP Ermessensspielräume bekommen, Unternehmen von mancher Regelung zu befreien oder sie zu vereinfachen. Gründer sollen zum Beispiel von der Umsatzsteuervoranmeldung befreit werden. „Diese Doppelbelastung erschwert unternehmerisches Handeln unnötig“, sagte Thomas Kemmerich (FDP), der den Antrag noch in seiner Zeit im Bundestag unterstützt hat. Gerade in Gebieten, die wirtschaftlich nicht sehr stark aufgestellt seien, könne das helfen. Vom Mindestlohn ist im FDP-Antrag nicht die Rede, er soll offenbar nicht grundsätzlich ausgehebelt werden.

Andreas Freytag ist an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik. 
Andreas Freytag ist an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik.  © Matthias Eckert

„Ein Hochindustrieland ist vielleicht nicht ganz der Ort, wo man das ausprobieren sollte“, sagt dagegen Andreas Freytag zu der Idee. Er ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er hielte es eher in Entwicklungs- oder Schwellenländern für eine gute Sache - wie es etwa in China über Jahre versucht wurde. „Gut wäre, wenn solche Sonderwirtschaftszonen in einem Wettbewerb gegeneinander antreten könnten“, sagt er. Dann könne man nach einer gewissen Zeit Ergebnisse besser vergleichen.

Denkbar sei, an Steuersätzen zu schrauben oder Genehmigungsverfahren für Baumaßnahmen zu vereinfachen. Der Investitionsstau sei unbestreitbar, also sei eine Vereinfachung richtig.

Länderfinanzausgleich überdenken

Generell sei aus seiner Sicht sinnvoll, Bundesländer untereinander stärker dem Wettbewerb auszusetzen. Schaue man zum Beispiel auf die Schweiz, dann könne man sehen, dass die Einkommensteuer teilweise bis in Stadtteile hinein unterschiedlich hoch sei. „Dann muss sich die Politik viel stärker überlegen, wofür und in welcher Höhe Geld ausgegeben wird.“ Zweifellos könne man auch den Länderfinanzausgleich überdenken, denn aktuell belohne der eher Verschwendung als Sparsamkeit. So könnten verkrustete Strukturen aufgebrochen werden, so Freytag.

Natürlich müsse man bestehende Ungerechtigkeiten im Auge behalten. „Zum Beispiel, dass die Einkommensteuer oft in Städten verdient wird, aber auf dem Land an die Gemeinden fließt, weil die Menschen dort wohnen.“ Zudem stellten Städte Dienstleistungen wie Kultur oder auch Schwimmbäder zur Verfügung, die auch von Menschen aus dem Umland genutzt würden.

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