Erfurt/Jena/Weimar. Die Corona-Krise trifft Kulturschaffende besonders hart. Neben Einkommen und dem Kontakt zum Publikum, fehlen nun oft auch Training und Gemeinschaft. In unserer neuen Serie kommen sie zu Wort.

Seit etwa einem Jahr können Künstler auch in Thüringen, wenn überhaupt, nur eingeschränkt arbeiten. Wie halten sie sich über Wasser? Wie bleiben sie fit? Und was motiviert sie? Wir haben Sie gefragt.

Corona-Blog: Lockdown wird bis 18. April verlängert – Dieter Althaus rechtfertigt seine vorgezogene Corona-Impfung

Berit Walther ist die Chordirektorin der Jenaer Philharmonie:

Berit Walther von der Jenaer Philharmonie
Berit Walther von der Jenaer Philharmonie © Jenakultur | Tina Peissker

„Der erste Lockdown im März hat mich umgehauen. Meine komplette Arbeit stockte. Das bin ich nicht gewohnt, nicht arbeiten zu können. Ich bin wie in eine Schockstarre gefallen. Dass gerade das Singen so gefährlich ist, macht mich traurig. Im April musste ich raus aus dem Nichtstun und habe Onlineproben unterrichtet. Im September begann ich wieder mit gemeinsamen Chorproben vor Ort. Ich war verantwortlich für die Chorsänger und wusste, dass auch mit Abstand eine Ansteckung nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden kann. Ich hoffte sehr, dass nichts passiert und wollte auf keinen Fall Schlagzeilen. Das war mehr Arbeit und stressig, aber ich war ausgeruht.

Die Chorsänger waren dankbar für die Probe und es herrschte fröhliche Stimmung. Ich mache den Job schon seit 20 Jahren -- dieser neue Schwung beflügelte mich. Das war schön zu erleben. Einen Vorteil hatten die großen Abstände zwischen den Singenden auch: Niemand konnte quatschen, jeder hört sich selbst viel genauer und kann sich nicht zwischen den anderen Sängern verstecken.

Im zweiten Lockdown im November musste ich erst einmal verarbeiten, dass dies ein Weihnachten ohne Chormusik sein würde. Kurzerhand habe ich mir eine technische Ausstattung gekauft, um die Online-Proben mit meinen drei Chören mit insgesamt 200 Personen besser zu gestalten. Ich habe viel über meinen Beruf und mich selbst gelernt. Eine Videoprobe wird niemals die Livemusik ersetzen, ist aber immer noch besser als Stillstand. Denn die Stimme muss wie ein Muskel trainiert werden.“
Max Landgrebe (47) ist Schauspieler am Deutschen Nationaltheater in Weimar:

Max Landgrebe ist seit der Spielzeit 2015/2016 Schauspieler am DNT Weimar.
Max Landgrebe ist seit der Spielzeit 2015/2016 Schauspieler am DNT Weimar. © Deutsches Nationaltheater Weimar | Candy Welz

„Das habe ich noch nie erlebt. Ich habe Jahre freiberuflich gearbeitet und hatte wochenlang frei. Aber dass ich meine Arbeit niederlegen muss und nicht mehr arbeiten darf, kannte ich nicht. Der erste Lockdown war ja noch irgendwie besonders. Als Alleinerziehender habe ich mich aufs Homeschooling konzentriert. Je länger ich zu Hause saß, desto unruhiger wurde ich allerdings.

Nach einigen Wochen wurde der Probenbetrieb wieder aufgenommen. Auf Abstand zu spielen, war eine extreme Erfahrung. Das Theater gilt ja als Spiegel der Gesellschaft: Natürlich berührt man sich und küsst sich. Eine Liebesszene nur mit Worten zu spielen, ganz ohne Körperkontakt, war neu für mich. Jedes Mal, wenn wir Schauspieler uns zu nahe kamen, hat einer aus dem Team eine Glocke geklingelt, um uns zu Abstand zu ermahnen.

Auch im Herbst konnten wir proben, aber ab dem zweiten Lockdown nicht aufführen. Dadurch entstand ein Produktionsstau. ,Die Verwandlung’ von Kafka haben wir online produziert. Auch ein Hörbuch haben wir ins Internet gestellt. Während alle Proben eingestellt waren, habe ich fleißig Text für die neue Produktion gelernt und mich körperlich sowie stimmlich fit gehalten.

Mürbe macht mich die Dauer des Stillstandes. Ich habe Muffensausen, wie es grundsätzlich weitergeht. Was mich gerade am meisten motiviert, ist das Wissen, dass wir irgendwann wieder aufmachen -- und dann bin ich top vorbereitet. Ich freue mich, bald wieder einem Publikum zu begegnen und bin sicher, dass uns die Menschen mit offenen Armen empfangen. Ich hoffe, dass wir auch etwas Positives aus der Zeit mitnehmen, wie vielleicht, dass wir wieder erkennen, wie wertvoll Kultur für alle ist.“
Ester Ambrosino ist Tänzerin, Choreografin und künstlerische Leiterin des Tanztheaters Erfurt:

„Ein komisches Jahr. Da ich von der Kulturstiftung des Bundes noch ein Stipendium hatte, habe ich mit fünf Tänzern bis Dezember weitergearbeitet. Während es im Herbst möglich war, trat die Gruppe vor einem kleinen Publikum auf, ansonsten haben wir Videos aufgenommen.

Wie viele Jahre geht es noch so weiter? Tanz beruht auf viel Körperkontakt, aber wir müssen wach bleiben und neue Ideen für diese Situation finden. Ich hoffe, dass durch Testen und Impfen bald wieder normaler Tanzunterricht möglich ist. Ich bin dankbar für jedes Mitglied, das nicht bei uns gekündigt hat. Vor der Pandemie hatten wir etwa 300 Mitglieder. Viele nehmen den Online-Unterricht an, auch wenn es gerade bei Kindern schwierig ist, sie über den Bildschirm zu motivieren. Es haben sich aber auch Teilnehmer außerhalb von Thüringen neu zu meinen Online-Kursen angemeldet. Sie wünschen sich auch weiterhin Online-Kurse.

Zusammen mit den Theatern Weimar und Erfurt organisiere ich Proben für „Die Göttliche Komödie“. Das treibt mich gerade an. Obwohl Dante Alighieri die Geschichte schon vor Hunderten von Jahren geschrieben hat, ist sie aktueller denn je. Die Premiere ist für den 8. Mai im Theater Erfurt geplant. Elf Tänzer, zwei Sänger und ein Schauspieler werden auf der Bühne stehen. Mit den Kindern und Jugendlichen unseres Vereins probe ich
digital „Momo“, das wir im Mai bei der Bundesgartenschau aufführen wollen.

Wir leben nur einmal. Ich hoffe, dass wir positiv bleiben und von der Pandemie lernen, dass wir genau jetzt leben und Menschlichkeit noch mehr brauchen als Distanz.“