Weimar. Monika Melchert schildert Anna Seghers’ Flucht nach Mexiko und ihre Erfahrungen im Exil - ein Land, von dem die Schriftstellerin später noch sehnsüchtig schwärmte.

Für Anna Seghers (1900 bis 1985) zählte nur das Werk, nie die Person, die es sich den Fährnissen ihres Lebens abgerungen hat. Sie führte kein Tagebuch. Doch wenn man ihren Roman „Transit“ zur Hand nimmt, ahnt man, wie viel von ihren persönlichen Erlebnissen da eingeflossen ist.

1933 flieht die Schriftstellerin mit ihrer Familie vor den Nationalsozialisten nach Frankreich, wo sie sich nach dem Einmarsch der Wehrmacht von Paris ins unbesetzte Marseille durchschlägt. Im letzten Moment gelingt es, Europa mit einem Frachtschiff in Richtung Übersee zu verlassen. „Alles war auf der Flucht“, heißt es in „Transit“, „alles war nur vorübergehend, aber wir wussten noch nicht, ob dieser Zustand bis morgen dauern würde oder noch ein paar Wochen oder Jahre oder unser ganzes Leben.“

Rückkehr in ein kaltes Deutschland

Die Odyssee endet 1941 in Mexiko. Von diesem Land, das damals zahlreichen Antifaschisten Asyl gewährte, hat sie später geschwärmt, es spiegelt sich bei ihr in sehnsuchtsvollen Geschichten. Wie ihr Alltag in Mexiko aussah, welche Beziehungen sie dort zu Politikern, Künstlern und ganz gewöhnlichen Menschen unterhielt und welche Stellung sie in der deutschen Emigranten-Gemeinde innehatte, davon erzählt eindringlich Monika Melcherts Spurensuche „Im Schutz von Adler und Schlange“.

Die Literaturwissenschaftlerin Melchert hat jahrelang die Anna-Seghers-Gedenkstätte in Berlin-Adlershof geleitet und veröffentlichte Studien über die Pariser Jahre der Autorin und über deren Rückkehr nach Deutschland, in ein „kaltes Land“. Mit dem Mexiko-Buch schließt sie zum 120. Geburtstag der großen deutschen Schriftstellerin gewissermaßen den Kreis.

Ambivalentes Verhältnis zu den USA

Höhepunkte sind ihre Recherche der atemberaubenden Flucht und die Interpretation des „Transit“-Romans. Am Beispiel der Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“ zeigt Melchert, wie die hart geprüfte Kommunistin versuchte, sich über ihre Kindheit Deutschland wieder anzunähern, in der Hoffnung, dass der Nazi-Spuk eines Tages beendet sein würde. Auch ihr ambivalentes Verhältnis zu den USA kommt zur Sprache, und aus Briefen werden die Folgen ihres schweren Verkehrsunfalls rekonstruiert.

Wer erfahren möchte, wie Mexiko Anna Seghers gerettet, verzaubert und zu zauberhaften Geschichten angeregt hat, dem sei der Band wärmstens empfohlen.

  • Monika Melchert: Im Schutz von Adler und Schlange. Anna Seghers im mexikanischen Exil, Quintus-Verlag, Berlin, 199 Seiten mit Abbildungen, 20 Euro