Kölleda. Wie ein Journalist die Geschichte Thüringens als Krimi beschreibt. Lesung in der Stadtbibliothek Kölleda am Mittwoch.

Der TA-Journalist Mirko Krüger stellt am 3. April sein Buch „Thüringen. Die Kriminalakte“ in der Kölledaer Stadtbibliothek vor. Er erzählt darin 20 Kriminalgeschichten. Während der Lesung wird Krüger auch Hintergründiges über seine Recherchen berichten. Wir sprachen schon jetzt mit ihm.

Kriminalgeschichten werden immer wieder veröffentlicht. Aber den Anspruch, damit zugleich Landesgeschichte zu erzählen, hat noch kein Autor erhoben. Versprechen Sie da nicht zu viel?

Ich wollte nicht einfach nur über Mörder, Räuber und Hochstapler berichten. Wäre dies meine Absicht, könnte ich recht schnell mehrere Bücher ohne größeren Aufwand füllen. Man müsste dazu lediglich in Archive gehen und dortige Akten mehr oder weniger nacherzählen. Genau das habe ich aber nicht getan. Ich habe unter zig denkbaren Taten nur jene recherchiert, die über den tatsächlichen Fall hinaus Bedeutsames über unser Land erzählen.

Wie sind Sie vorgegangen?

Das erkläre ich am besten an einem Beispiel. In weiten Teilen Thüringens ist nach der Revolution von 1848 die Todesstrafe abgeschafft worden. Die Öffentlichkeit fand das überhaupt nicht gut; nach einigen Jahren wurde die Todesstrafe wieder eingeführt. Ich wollte dieses Hin und Her erzählen, und zwar am Beispiel jenes Verbrechers, der als erster wieder hingerichtet worden ist. Es war also eine zweigeteilte Recherche. Es ging um den historischen Hintergrund ebenso wie um den konkreten Fall. Fündig wurde ich in Akten sowie in alten Zeitungen. Beinahe wäre der Mörder eines Kölledaers der erste Todeskandidat geworden.

Warum beinahe?

Der Täter wurde nie entdeckt, und das, obwohl der Fall für damalige Verhältnisse eine unglaublich große Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hatte. Im Jahre 1856 war der Salzfuhrmann Gottlob Tänzer ermordet worden. Bereits am folgenden Tag berichtete der Cölledaer Anzeiger in der Rubrik „Kirchliche Anzeigen“ zu dem Fall. Veröffentlicht wurde ein Gebet: Der gerechte Gott möge es gelingen lassen, „die ruchlosen Raubmörder ausfindig zu machen“.

Was geschah danach?

Es wurde monatelang ermittelt. Zwischenzeitlich entdeckte ein Amtmann die vermeintliche Mordwaffe. Von diesem Hirschfänger wurden Zeichnungen angefertigt und verteilt. Auch das führte nicht zum Täter. Es gab zwar Verdächtige, zwei Männer wurden inhaftiert...

Wenn es keinen bekannten Täter gibt, stellt sich die Frage, warum Sie diesen Fall überhaupt erzählen?

Ganz einfach: Weil uns dieser Mordfall sehr viel über damalige Befindlichkeiten erzählt. Ich hatte das Gebet erwähnt. Es erschienen aber noch einige weitere ungewöhnliche Texte. So veröffentlichten Schulfreundinnen zwei Gedichte in der örtlichen Presse. Auch sie waren davon beseelt, den Täter zu finden.

Kriminalistisch gesehen ist der Fall interessant, weil in ihm länderübergreifend ermittelt worden ist. Thüringen war damals ein Flickenteppich kleiner Herzogtümer und preußischer Gebiete. Wer heutzutage Krimis wie den „Tatort“ sieht, ahnt, vor welchen Problemen Polizisten mitunter stehen, wenn sie jenseits einer Landesgrenze ermitteln möchten.

Wie war das in Kölleda?

Die Stadt war preußisch; sie gehörte zum Regierungsbezirk Merseburg der Provinz Sachsen, also zu einer heute sachsen-anhaltinischen Stadt. Nur wenige Kilometer entfernt grenzte das Weimarer Großherzogtum an; von hier stammten Verdächtige. Diesen Flickenteppich bekam ich auch bei meinen Recherchen zu spüren. Es gibt zwar Akten zu dem Fall, aber sie lagern weit gestreut in diversen Archiven.

In Ihrem Buch „Thüringen. Die Kriminalakte“ steht der Fall dennoch nicht. Warum?

Ich bin im Zuge meiner Recherchen auf eine recht heiße Spur gestoßen, auf eine ins Vergessen geratene Akte. Ich hebe mir den Fall deshalb für den nächsten Band auf. Dann werde ich ihn recht groß aufrollen.

Haben Sie als Autor ein Vorbild?

Sagen wir es mal so: Ich bin ein glühender Schiller-Fan, was übrigens nichts mit solchen Stücken wie „Die Räuber“ oder „Verbrecher aus verlorener Ehre“ zu tun hat. Aber es passt bei meiner Verehrung irgendwie, dass es kein Geringerer als Schiller war, der dem Genre der Kriminalgeschichten zum Durchbruch verholfen hatte.

Wie das?

Schiller gab ab 1792 vier Bände voller Kriminalfälle heraus. Das geheime Spiel der Leidenschaft entfaltet sich darin, schrieb er im Vorwort. Zudem, so meinte er, besäßen Kriminalgeschichten „den Vorzug der historischen Wahrheit“. Dies ist ein Anspruch, dem ich mich von tiefstem Herzen verbunden fühle.

Lesung am 3. April in der Stadtbibliothek Kölleda um 19 Uhr.

Tickets gibt es im Vorverkauf in der Bibliothek und an der Abendkasse.

Das Buch „Thüringen. Die Kriminalakte“ ist im Handel und bei der Lesung erhältlich.

Es kostet 16,95 Euro.