Ein Engländer, der deutsch singt und keine Schlager produziert? Gibt es! Christian Werner über das Album „Peter Gabriel (Deutsches Album)“.

Wir würden ja gern. Wirklich! Und: Ganz im Ernst. Wenn wir nur die Texte verstehen würden. Können die nicht deutsch singen? Das war jedenfalls die Standardausrede der My-fair-Lady-Generation in der Diskussion mit den ungleich Jüngeren, wenn es darum ging, ein gemeinsames Musikprogramm zu finden. Anfang der Neunziger war das wohl. Ein Generationskonflikt.

Deutsch singen? Und kein Schlager, Volksmusik oder Grönemeyer? Dieser Wunsch kann erfüllt werden. Etwa mit Peter Gabriels viertem Album, in der, genau, deutschen Version. Das Werk war quasi der Endpunkt einer Entwicklung des ehemaligen Genesis-Sängers zu sich selbst, zu einer Stimme als stetig suchender Solo-Künstler und noch vor dem Mainstream-Erfolg von „So“.

Drei Alben lang hatte Gabriel die Emanzipation von seiner einstigen Band vorangetrieben, weiterhin mit kunstvollen und unkonventionellen Konzepten. Er experimentierte mit Technik und Songwriting, die Cover waren aufwendig und rätselhaft, die Albumtitel gleich: Peter Gabriel.

Rhythmus und Weltmusik als Einflüsse

Album Nummer 4 war 1982 keine Ausnahme. Nur die Plattenfirma verlor die Geduld und nannte es sicherheitshalber im Zweittitel „Security“. Gabriel produzierte digital, kreierte Sounds mit zerschellenden Fernsehern, setzte Rhythmus und Weltmusik als gleichberechtigte Einflüsse.

Das Cover des Albums „Peter Gabriel (Deutsches Album)“.
Das Cover des Albums „Peter Gabriel (Deutsches Album)“. © Universal

Auch vor Sprache machte seine Experimentierfreude keinen Halt. Weil nur der deutsche Ableger seiner Plattenfirma Interesse zeigte, erschien Platte 4 – wie zuvor Platte 3 – in Deutsch. Es ist sicher kein Zufall, dass vieles auf dem Album hinsichtlich Produktion und Intonation klingt, als hätte es für den Sound ostdeutscher Bands wie Silly Pate gestanden.

Mit „Kon Takt!“ hat Gabriel unbeabsichtigt einen Song mit aktuellem Bezug geschrieben. Es ist quasi die Antithese zur virusbedingten Quarantäne („Alle drängen und stoßen – oh ja, ich mag das“). Das Stück haben Corona-Leugner indes noch nicht zu ihrer Hymne erklärt. Abgesehen davon presst Gabriel ein paar Wahrheiten und poetische Perlen durch die Stimmbänder: „Nur was du tust, stellt dich bloß“ oder „Greif die Hand, weil ich sonst nichts begreifen kann“.

Apropos begreifen: Die Gabrielsche Kunstfertigkeit war der volkstümlichen Fraktion dann doch zu verstiegen. Auch auf Deutsch. Titel wie „Mundzumundbeatmung“ oder „Schock den Affen“ (ein Hit) zündeten in der großelterlichen Wohnstube nicht so recht. Und die guten Vorsätze? Lauter Lippenbekenntnisse.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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