Gotha/Erfurt. Stephan Perthes schimpft über den Gothaer Umgang mit der kartographischen Sammlung. Niemand kümmere sich um den bedeutenden Bestand der Geschichte.

Verärgert hat Stephan Justus Perthes die offiziellen Brücken nach Gotha abgebrochen und nun, als letzten Schritt, auch noch seine Mitgliedschaft im Freundeskreis der Forschungsbibliothek aufgekündigt. Dabei wünscht sich der Spross der ruhmreichen Verlegerfamilie ja nur, dass mit der famosen Perthes-Sammlung wissenschaftlich gearbeitet und sie in Ausstellungen gezeigt werde. Doch hat er nach 17 Jahren diese Hoffnung verloren.

Mit 180.000 Karten, gut 800 laufenden Metern an Archivalien sowie 120.000 Buchbänden zählt der Perthes-Bestand, inzwischen im Besitz der Universität Erfurt, zu den bedeutendsten Sammlungen dieser Art auf unserem Kontinent – nicht nur, weil er über Jahrhunderte hinweg die Weltentdeckungsgeschichte aus europäischer Sicht dokumentiert. Dieses Erbe des Gothaer kartographischen Verlages seit 1785 bildet ein Alleinstellungsmerkmal der hiesigen Forschungslandschaft.

2003 hat Perthes die Sammlung zum „Freundschaftspreis“ an den Freistaat Thüringen verkauft. Auf 10 Millionen Euro hatten Gutachter den Wert damals taxiert; nur 6,4 Millionen Euro – davon 1,5 Millionen Euro zugunsten des Klett-Verlages – hatte Perthes erlöst. Er wollte unbedingt, dass dieser kostbare Bestand zusammenbleibt. Darin, dass dieses Kulturgut nationalen Rang repräsentiert, war man sich allseits sehr einig. Sieben Jahre später gab Perthes auch das frühere Verlagsgebäude an die Stadt Gotha ab; nach dem Umbau dient es unter dem Namen Perthesforum als Depot für die Friedenstein-Sammlungen.

800 laufende Meter Archivalien gehören zur Sammlung.
800 laufende Meter Archivalien gehören zur Sammlung. © TA | Alexander Volkmann

Doch nun klagt Stephan Perthes, dass sich weder die Leitung der Forschungsbibliothek noch die der Erfurter Uni hinreichend um diesen Schatz der Wissensgeschichte kümmerten. „Es geht mir um die Sammlung“, betont der 65-Jährige. „Ich möchte etwas hinterlassen, damit sich der Einsatz über 10, 20 Jahre gelohnt hat.“ Und nicht zuletzt hat er die Verlagsgeschichte im Blick.

Perthes’ Weckruf erreicht die Gothaer ausgerechnet in aufgeregten Zeiten. Nicht nur, weil der Ostturm auf Schloss Friedenstein aus Statikgründen gerade gesperrt und damit die Forschungsbibliothek erheblich gehandicapt ist. Nicht nur, weil sich Professor Martin Mulsow als Direktor des Forschungszentrums dank eines externen Stipendiums längerfristig beurlauben ließ. Sondern auch weil dem seit 2017 gemeinsam mit der Friedenstein-Stiftung betriebenen Forschungsverbund Gotha die Evaluierung droht; mit rund einer Million Euro hat die Landesregierung diese auf Anregung des Deutschen Wissenschaftsrats unternommene Initiative dotiert.

So hätte es eigentlich funktionieren sollen: Das Forschungszentrum Gotha der Uni Erfurt schöpft aus dem vor allem für die Zeit der Vor- und Frühaufklärung bedeutenden Bestand der Forschungsbibliothek sowie aus der Perthes-Sammlung und arbeitet eng mit den benachbarten Kollegen der Friedenstein-Stiftung zusammen, die allzu gern das neumodische Schlagwort vom „forschenden Museum“ mit Leben erfüllen würden. Dieser Forschungsverbund wiederum böte als Standort für die Wissensgeschichte der Neuzeit exzellente Perspektiven – nicht zuletzt die einer institutionellen Förderung seitens des Bundes.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters mag sich zwar kaum für eine Trägerschaft der Friedenstein-Museen erwärmen. Doch wäre hier vielmehr ihre Amtskollegin an der Spitze des Forschungsministeriums gefragt. Der Friedenstein-Verbund zum Beispiel als Leibniz-Institut? – Warum denn nicht?

Iris Schröder, der Erfurter Professorin für Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts, sind solche Gedanken nicht fremd. Sie verweist auf ein großes Digitalisierungsprojekt der Perthes-Sammlung und auf eine ab Juli im Bremer Haus der Wissenschaft geplante Ausstellung, die man danach auf Tournee schicken wolle. Für ein Leibniz-Institut fehle vorerst die „Schwungmasse“, etwa bei den Drittmitteln. – Uni-Präsident Walter Bauer-Wabnegg teilt mit, man überlege zurzeit, wie man die Gothaer Einrichtungen „sinnvoll und zukunftssicher“ aufstellen wolle. Um darüber öffentlich zu informieren, sei es noch zu früh.