U2-Album „Songs of Surrender“: Was taugen die neuen Versionen ihrer Lieder?

Erfurt. Abkehr vom Breitwandsound: Die Band U2 hat 40 ihrer Songs neu aufgenommen und einige sogar umgeschrieben. Wir haben in „Songs of Surrender“ reingehört.

Die Neuinterpretation des eigenen Werks ist in Mode. Taylor Swift etwa nimmt ihre frühen Alben neu auf, Sting veröffentlichte eine Platte („My Songs“) mit neuen Versionen seiner Stücke. Die Fantastischen Vier reüssierten erst kürzlich Teile ihres alten Liedguts im neuen Sound als „Lichtenstein Tapes“. Nun also auch U2, die ein langgehegtes Projekt im kulturellen Leerlauf der Corona-Pandemie umgesetzt haben.

„Songs of Surrender“ heißt der Liederzyklus und wer einen Marketingschachzug wittert, liegt nicht ganz falsch: „Surrender“ heißt die Autobiographie von Bono, erschienen Ende vergangenen Jahres. Es wird noch augenfälliger: Je einen Song seiner Band hatte der U2-Sänger als Titel für jedes seiner 40 Kapitel gewählt. 40 Songs zählt auch „Songs of Surrender“. Indes, die Schnittmenge der Songs im Buch und auf dem Album ist zwar hoch, aber nicht kongruent.

40 Lieder aus gut 40 Jahren neu interpretiert

Das Cover des Albums „Songs of Surrender“ von U2. © Island/Universal

Es sind 40 Lieder aus gut 40 Jahren, Hits wie Insider-Stücke. Es gibt das Album in mehreren Ausführungen, auch mit weniger Tracks. Rein konzeptuell macht allerdings nur die größtmögliche Version Sinn, beginnend mit, wenig überraschend, „One“, am Ende erklingt „40“.

„Songs of Surrender“ ist also ein Konzeptalbum, auf dem sich die Band, die oft für Pathos und Bombast gescholten wurde, soundtechnisch vergleichsweise kleinlaut gibt. Akustik-Gitarre und Klavier dominieren, ab und an auch ein Cello – und die Stimme von Bono.

20 U2-Songs in der Einzelkritik

Die Band U2 hat ein neues Album mit alten Stücken aufgenommen: "Songs of Surrender". Wir stellen eine Auswahl der Lieder vor. © Universal Music | KURT ISWARIENKO

Der Anfang von "Songs of Surrender" enttäuscht: Den ursprünglich 1991 veröffentlichten Song, um den U2 sogar Kollegen wie Noel Gallagher beneiden, kann man nicht besser machen. Was die Version von 2023 leider beweist. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Einer der bekanntesten U2-Songs stammt aus dem Jahr 1987. In der neuen Version wird das Stück radikal entschleunigt. Die Dramatik wird trotzdem verstärkt. Fazit: Gelungen! © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Dieser Song vom Debütalbum "Boy" aus dem Jahr 1980 wurde nicht nur klanglich, sondern auch textlich verändert. Die Sichtweise der gealterten Bandmitglieder sei nun eine andere, sagte Gitarrist The Edge dem deutschen Rolling Stone. © Funke Medien Thüringen

Im Jahr 2000 war dieses Lied die große Comeback-Single für die Band. 2023 versandet der Song etwas und entfaltet nicht seine Wirkmacht. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Das Stück ist wie gemacht für ein getragenes Piano-Arrangement. Demnach: Ein vorhersehbarer Kandidat für das Album. Trotzdem: Berührend. Bonos Stimme zerbricht fast an der Melancholie. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Ein Anlass für den Song aus dem Jahr 2000 war die Politikerin Aung San Suu Kyi aus Myanmar. 2023 bekommt er einen neuen Kontext: Den Krieg in der Ukraine. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Die neue akustische Version dieses Songs aus dem Jahr 1984 funktioniert erstaunlich gut, auch ohne E-Gitarren-Teppich. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

1991 war dieses Lied eine von vielen erfolgreichen Singles aus dem "Achtung Baby"-Album. Die Schönheit des Songs gewinnt durch die Unplugged-Variante. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Eine der Versionen, bei der man doch glatt ein bisschen die übliche Opulenz der U2-Produktionen vermisst. Der Song von 2017 dürfte in der neuen Variante auch als Arrangement für Straßenmusiker gut passen. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Noch so ein Lied - im Original von 2000 - , das ziemlich erwartbar war für "Songs of Surrender". Nette Version, aber nicht unverzichtbar. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Einer der privatesten Songs über die Beziehung von Bono zu seinem Vater. Das Originalaufnahme von 2004 ist ziemlich eindringlich, die neue Piano-Variante gewinnt erst aber der Bridge an Substanz. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Einer DER Rock-Kracher im Repertoire der Band (aus dem Jahr 2004) erreicht auch als Stripped-Down-Version locker die Ziellinie. Wer braucht schon E-Gitarren, wenn er ein Cello hat? © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Das Original war einer der neuen Songs auf "The Best of 1990 - 2000". Die neue Version kommt ohne die Produktionsmätzchen von William Orbit aus, was dem starken Song nichts ausmacht. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Seine eigene experimentelle Phase zu sezieren ist eine Herausforderung. Die neue Version des Songs von 1991 beginnt wie ein Peter-Gabriel-Song und hat sonst ein gelungenes ausgefeiltes Arrangement. Derlei hätte man sich mehr gewünscht. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Diese Variante des Songs von 1988 mit Falsettgesang ist nah an der Parodie, doch die Neugier aufs Neue überwiegt. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Allein das Intro des Originals von 1987 ist unzerstörbar, ebenso der Text. Die neue Version kann diesem nichts hinzufügen. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Recht brav beginnt nun dieser sonst lärmende Song aus dem Jahr 1991. Gelungen ist das Akustikgitarren-Solo in der Mitte des Stücks.

Der Song von 1983 funktioniert als Rock-Nummer, wie auch zur Lagerfeuergitarre. Die tragischen Ereignisse in Nordirland mit den Schüssen auf Demonstranten bewegen immer noch.

Sicher nicht die erste Wahl beim Gedanken an eine Art Unplugged-Projekt von U2. Trotzdem: Eine gute Wahl. Klingt wie eine Demo-Version - wie so vieles auf "Songs of Surrender". Eine gelungene wohlgemerkt. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Noch ein Song von Debütalbum aus dem Jahr 1980. Die Stärke des Refrains wird in der neuen Version sichtbarer. © Funke Medien Thüringen | Funke Medien Thüringen

Das Cover des Albums "Songs of Surrender" von U2. © Island/Universal | Island/Universal

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Neue Versionen mit gemischten Ergebnissen

Nicht alles funktioniert mit diesem Ansatz. Enttäuschend ist gleich der Anfang: Wie man „One“, einen perfekten und perfekt aufgenommenen Song, um den U2 sogar Noel Gallagher beneidet, besser machen will, bleibt die Band leider schuldig. Andere heruntergestrippte Versionen klingen allzu erwartbar („Every breaking Wave“) oder versanden leicht wie „Beautiful Day“.

Der Großteil aber überzeugt, vor allem ab der Hälfte des Albums. Einigen Stücken ringt die Band neue Facetten ab, etwa „Vertigo“ oder „The Fly“. „Desire“ ist mit Falsettgesang nah an der Parodie, doch die Neugier aufs Neue überwiegt. Auch textlich wagen U2 an mehreren Stellen eine Frischzellenkur, „Walk on“ wird so zu „Walk on Ukraine“.

Ein „Unplugged“-Auftritt bei MTV erübrigt sich mit diesem Songreigen, der auch ein Manifest ist, wie viele erinnerungswürdige Songs die vier Iren bisher geschaffen haben. Die Frage bleibt, ob diese Erinnerung notwendig war?

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