Weimar. Bahram Nematipour – Grafikdesigner, Maler und Dozent an der Bauhaus-Universität – verführt beim Kunstfest Weimar mit einer Ausstellung.

„Verführungen“ – ein starkes Wort. Es legt sich beim Kunstfest Weimar als Klammer um das Projekt „Erzählcafé & Open Call“, das Theaterstück „Der Tribun“ von Mauricio Kagel mit Dominique Horwitz in der Titelrolle sowie fünf Ausstellungen; dezentral, thüringenweit.

Zu den Künstlern, die in diesen Schauen ihre Arbeiten – Malerei, Grafik, Videos, Installationen – zeigen werden, gehört Bahram Nematipour. Der 37-jährige Designer, Konzeptkünstler und Dozent lädt ab Ende August ins Lutherhaus nach Neustadt an der Orla. Dort können Kunstfest-Gäste sehen und erleben, was er mit dem Thema „Verführungen“ verbindet.

Nematipour zu entlocken, womit er von Weimar nach Ostthüringen reist, ist nicht ganz einfach. Noch sondiert er, sucht, ist mitten im Schaffensprozess. „Verführungen“, so sagt er, sind allgegenwärtig. „Ich fühle mich durch die Gesellschaft sehr verführt. Und wenn Menschen mich fragen, wozu brauchen wir Kunst, versuche auch ich ständig, andere zu verführen.“

Vor rund zehn Jahren kam der damals 28-Jährige nach Deutschland, den Bachelor der Teheran University im Fachbereich Industriedesign frisch in der Tasche. Zuvor hatte er als freiberuflicher Dozent für Malerei und Industriedesign am Institut der Bildenden Künste und an der Elm-o-Farhang-Universität Teheran gelehrt. In Deutschland wollte er sich – wie er es im Iran längst geschafft hatte – als Künstler etablieren.

Das war ein wenig naiv gedacht, wie sich zeigen sollte. Allein der Kulturschock, aus der 15-Millionen-Einwohner-Metropole Teheran in die 215.000-Einwohner-Stadt Erfurt zu kommen. Zehn harte Jahre standen dem Iraner hier bevor.

Er hadert nicht mit dieser Zeit, wenngleich er längst nicht alles verarbeitet hat, was passierte; undankbare Knochenjobs, Demütigungen, Beleidigungen, Alltagsrassismus, „Fremdenunfreundlichkeit“, wie er das, was er häufig erlebte und erlebt, höflich nennt.

„Ich bin ein hoffnungsloser Hoffnungsvoller“ lächelt er und ist dankbar für die Chance, beim Kunstfest Weimar dabei sein zu können. Auch wenn er – zehn Jahre nach seinem Weggang aus dem Iran – gerade einmal wieder an dem Punkt steht, an dem er seinerzeit dort angekommen war. Es gibt für ihn keinen Blick zurück im Zorn.

Das Leben lehrt den Künstler, immer einen Weg zu finden

„Die Geschichte zeigt, dass auch ich viel zu oft verführt wurde, mich habe verführen lassen. Doch für mich ist nicht wichtig, von wem und warum. Für mich zählt, einfach weiterzumachen, meinen Weg zu gehen“, sagt er, durchaus mit Stolz.

Als Konzeptkünstler, wie er sich heute versteht, nimmt er die Situation so an, wie sie ist, bricht sie, verwirft sie, definiert und erfindet sie neu – wandelt sie zu einem Kunstwerk. So kreisen auch seine Ideen für die Ausstellung in Neustadt an der Orla um das Unbeständige, das „Dazwischen-Liegende“. Einen Weg zu finden, davon ist er fest überzeugt, ist immer möglich – in der Kunst ebenso wie im Leben. Seine Freunde, so meint er, sehen ihn oft als einen Getriebenen, der nie zur Ruhe kommen kann. Und das auch nicht wirklich will. „Bewegung ist mein Fixpunkt“, dieses Credo hat er aus seinem Werdegang und den zurückliegenden Jahren für sich extrahiert und lebt es.

Sein Job als freier Künstler genügt ihm nicht. Er lehrt an der Bauhaus-Universität Grafikdesign, er gibt Kurse an der Weimarer Mal- und Zeichenschule und unterrichtet an der Parkschule Kunst. Das alles erfüllt ihn, inspiriert ihn, bewahrt ihn vor Stillstand.

Als Meister im „Um-die-Ecke-Denken“ schwebt ihm eine Schau vor mit „Arbeiten, die ich nicht geschafft habe“. Leere Rahmen? – Nicht unbedingt. Als figurativer Maler arbeitet er häufig mit Deformationen, dem Zerstören von Formen. Auch das könnte ein Ansatz für die Werke sein, die ab August im Lutherhaus zu sehen sein werden.

Thüringen darf gespannt sein auf einen spannenden Künstler – und seine Interpretation der Kunst des Verführens.