Erfurt. Geschichten in zweiter Ebene und versteckte Mathematik: Susanne Hanna und Harald Zilly bestreiten die neue Doppelausstellung.

Kühle umfängt einen, sobald man in das abgedunkelte Erdgeschoss der Galerie Waidspeicher tritt. Auf großen Projektionsflächen laufen Filmbilder. Hier schaukelt ein weißes Häuschen auf Wellen, dort bewegen sich Grashalme im Wind.

„Das ist eine Geschichte, die abläuft. Aber man kann auch jederzeit einsteigen“, sagt Susanna Hanna, mit Blick auf die in einem leichten Winkel zueinander montierten Projektionsflächen im hinteren Teil des Raumes. „Fragment“ heißt das, wie sie sagt, Hauptwerk ihrer ersten größeren Einzelausstellung.

Daraus entstand auch der Titel der Schau – „Fragments of reality“. Susanna Hanna sammelt Fragmente verschiedener Art. Sätze, Aussprüche, Bilder, Filme, Töne. Die Künstlerin, die über die Malerei und Fotografie schon vor Jahren zur Videokunst fand, setzt Fragmente zusammen. Wobei, wie sie sagt, das alles nicht Zufallsfunde sind. So seien zuerst die Textzeilen da gewesen. Aufgeschnappt im Alltag oder aus Büchern. „Dann fahre ich durch die Gegend und suche nach den Bildern.“ Wohin sie fährt, ist offensichtlich. In die Natur. Und so laden die Filme erst auch einmal dazu ein, einfach nur zu schauen. Sich an ihnen zu erfreuen. Wer die Geschichten in der zweiten Ebene mitnehmen möchte, der muss dann doch ein paar Zeilen lesen. So kommt hinter dem Film mit dem schaukelnden Papier-Haus eine berührende Geschichte hervor. So ist der See ein gefluteter Tagebau, das Häuschen fängt an, sich im Laufe des Films aufzulösen, steht symbolisch für zugunsten der Kohle aufgegebene Dörfer

Anderer Natur ist die dritte Arbeit von Susanna Hanna, „Pulse“. Es ist der senkrechte Blick auf eine flache, klare Wasserfläche mit kleinen Wellen und Spiegelungen. Der Loop dauert sieben Minuten und in dieser Zeit entdeckt man – so man will – unscheinbare Veränderungen. Dazu ist ein Herzklopfen zu hören. Das der Künstlerin, wie sie verrät.

Drei Gemälde aus der Reihe Transit und Fotos von Pflanzen ergänzen die Schau der Erfurter Künstlerin.

In der zweiten Etage steht der Maler Harald Zilly: „Ich erzähle keine Geschichten.“ Flächen und Farben sind sein Metier. „Ich mache konkrete Farbmalerei“, sagt der Künstler, der seit fünf Jahren in Erfurt lebt und arbeitet. So auch der Titel seiner Ausstellung. Sein Satz weist auf das inzwischen schon nicht mehr bestehende „Forum konkrete Kunst“, wo ebenfalls seine Bilder bereits zu sehen waren. „Ich habe aber keine Linien abgeklebt“, nennt er einen strengen Unterschied, „bei meinen Bildern ist alles frei auf der Leinwand entstanden.“ So sind enge Linien nebeneinander durch herabrollende Farbtropfen gezogen. Auch die mathematische Herangehensweise, wie etwa die vom Bildinneren nach außen sich ändernden Farben abgestuft sind, bleibt dem Betrachter verborgen.

Dennoch könnte man, wie Kuratorin Susanne Knoll meint, in den Bildern Leben entdecken. Oder sie einfach meditativ auf sich irken lassen. Was in der Kühle der Galerie bestens geht.

Galerie Waidspeicher Michaelisstraße 10, Vernissage, heute, 19 Uhr