Erfurt. Rettungskräfte hoffen im Kampf gegen Schaulustige auf schärfere Gesetze – und mehr Einsicht.

Notfallsanitäter, Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte haben in Thüringen immer stärker mit Behinderungen durch Gaffer zu kämpfen.

„Aus unserer Sicht hat das Problem in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen“, sagte Karsten Utterodt vom Thüringer Feuerwehrverband. Die Hemmschwelle sei merklich gesunken. „Viele Passanten sehen es anscheinend zunehmend als Spaß oder Hobby, Unfälle zu filmen und ins Internet zu stellen.“ Neben besserer Aufklärung seien härtere Strafen und längere Fahrverbote für Gaffer wünschenswert, so Utterodt.

Bisher nutzt die Feuerwehr bei schweren Unfällen Planen oder Decken, um Gaffern die Sicht zu erschweren. „Prinzipiell hängt das aber immer davon ab, wie viele Einsatzkräfte wir vor Ort haben“, ergänzte Utterodt.

Filmende Autofahrer sind Risiko für Straßenverkehr

Mit demselben Problem sieht sich auch der Thüringer Landesverband des Deutschen Roten Kreuz (DRK) konfrontiert: Um Schaulustige fernzuhalten fehle es an Personal, erklärt DRK-Sprecher Dirk Bley. Abhilfe schaffe nur die Polizei. Ist sie rechtzeitig vor Ort, ermöglicht sie den Rettungskräften in der Regel reibungsloses Arbeiten. Zuletzt hatten Betrunkene zu Schlagzeilen geführt, die Ende Juni Löscharbeiten an der Bundesstraße 180 bei Kriebitzsch im Altenburger Land behinderten. Die Polizei musste gleich mehrfach eingreifen.

Die Polizei selbst führt zum Thema Gaffer keine eigene Statistik. „Tatsächlich ist aber festzustellen, dass bei Unfällen mit schweren Folgen Personen in vorbeifahrenden Fahrzeugen regelmäßig Aufnahmen mit Mobiltelefonen machen“, sagte Jens Heidenfeldt von der Landespolizeidirektion. Autos, die extra langsam an einem Unfallort vorbeifahren, führten nicht nur für noch längere Wartezeiten, so Heidenfeldt. Zudem bestehe das Risiko, dass Schaulustige selbst einen Unfall verursachten, wenn sie vom Handy abgelenkt seien.

Über Belästigungen von Einsatzkräften in Thüringen liegen der Polizei hingegen keine Erkenntnisse vor. Eine Sicherstellung von Smartphones habe es bisher ebenfalls nicht gegeben. Was die Verbreitung von Gaffer-Videos angeht, führt die Polizei aktuell keine eigenen Recherchen durch. Wird ein solcher Fall aber von Betroffenen angezeigt, wird die Polizei aktiv.

58 Anzeigen gegen Blockierer von Rettungsgassen

Rechtlich ist Gaffern schwierig beizukommen. Die Straßenverkehrsordnung enthält keinen entsprechenden Tatbestand. Gaffer können jedoch für andere Ordnungswidrigkeiten und Straftaten wie die Behinderung von Rettungskräften und unterlassener Hilfeleistung zur Verantwortung gezogen werden.

Derzeit wird das Phänomen Bley zufolge im Landespräventionsrat evaluiert, Ergebnisse dazu liegen aber noch nicht vor. Im Mai hatte die Landesregierung einem Antrag im Bundesrat zugestimmt, der härtere Strafen für Gaffer fordert.

Auch bei Rettungsgassen auf Autobahnen gibt es Utterodt zufolge immer noch Probleme: „Eine zeitlang haben die Behinderungen dadurch stark zugenommen, in jüngster Zeit ist es aber ein bisschen besser geworden.“ Das liege zum einen daran, dass die Polizei solche Fälle stärker verfolge. Seit Anfang des Jahres wurden 58 Anzeigen erfasst, weil keine Rettungsgasse gebildet wurde, wo sie nötig war. Der Grundtatbestand wird mit einer Strafe von 200 Euro und zwei Punkten im Verkehrssünderregister belegt.

Zum anderen zeige die verstärkte Aufklärung langsam Wirkung, so Utterodt. Im kommenden Jahr soll daher eine neue Informationskampagne gestartet werden, die auf die Gefahren durch Gaffer und fehlende Rettungsgassen aufmerksam macht. Der Einsatz von Sichtschutzwänden ist bisher weder von Polizei noch von Rettungskräften geplant. „Wir wollen nur in Ruhe unsere Arbeit machen. Dazu muss es auch mal Sperrungen geben. Wir hoffen darauf, dass sich diese Erkenntnis bei möglichst vielen durchsetzt.“