Berlin/Bonn. Keine Versammlungen, keine Beschlüsse. In Wohnungseigentümergemeinschaften bleibt seit Beginn der Corona-Pandemie einiges liegen. Es gibt Auswege, um dennoch etwas zu bewegen.

Wegen der Corona-Pandemie gelten für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) gesetzliche Sonderregeln. Die Gemeinschaften dürfen zum Beispiel auf Eigentümerversammlungen verzichten. Bestellte Verwalter bleiben auch ohne Beschluss im Amt und der bestehende Wirtschaftsplan in Kraft.

Die seit dem Frühjahr 2020 geltenden Regeln sollten eigentlich Ende 2021 auslaufen. Der alte Bundestag hat sie in seiner letzten Sitzung aber bis 31. August 2022 verlängert. Das hat Vor- und Nachteile.

Viele Versammlungen finden nicht statt

Einerseits dienen die Vorgaben dem Schutz vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus - durchaus sinnvoll angesichts wieder steigender Zahlen. Andererseits bleiben in den WEG viele Dinge unerledigt, weil es ohne das Treffen der Eigentümer keine Entscheidung dazu gibt.

Gabriele Heinrich vom Bonner Verein Wohnen im Eigentum befürchtet einen "Durchführungsstau". Heinrich stützt diese Einschätzung auf eine Umfrage unter rund 2400 Eigentümergemeinschaften. Davon gaben rund 42 Prozent an, es habe seit 2019 keine Versammlung mehr gegeben.

Mit wirtschaftlichen Folgen für die Eigentümer: Sanierungen blieben aus und verteuerten sich wegen der steigenden Baupreise. Außerdem könnten missliebige Verwalter weiterarbeiten.

Kosten für Eigentümer steigen

Am Ende müssten Wohnungseigentümer mit höheren Ausgaben für die Verwaltung rechnen, stellt Wohnen im Eigentum fest. Diese Kosten werden üblicherweise auf das Hausgeld umgelegt. Um Sanierungen und Instandsetzung zu finanzieren, werden häufig Sonderumlagen erhoben. Auch diese könnten höher ausfallen als vor der Pandemie.

Zu normalen Zeiten finden Eigentümerversammlungen in der Regel mindestens einmal im Jahr statt. Zuständig für die Einladung und die Organisation ist die Verwaltung. Der VDIV Deutschland empfiehlt allerdings aufgrund der momentan geltenden Corona-Bestimmungen und dem damit verbundenen Risiko, keine Eigentümerversammlungen durchzuführen.

Gesetzliche Verankerungen von Online-Treffen

Grundsätzlich wären Hybrid- und Online-Versammlungen aus Sicht des Verbandes eine geeignete Lösung. Allerdings fehlen hierzu noch ausreichend rechtliche Grundlagen, um diese ohne Risiko auf Anfechtbarkeit durchzuführen.

"In der Praxis behelfen sich einige wenige Immobilienverwaltungen derzeit mit digitalen Hilfskonstruktionen, um Beschlüsse zu fassen, die aber ebenfalls anfechtbar sind", erklärt Martin Kaßler, Geschäftsführer des VDIV Deutschland. "Wir halten es daher für unabdingbar, dass die Online-Eigentümerversammlung gesetzlich im Wohnungseigentumsgesetz zügig verankert wird - wie im Aktien- und Vereinsrecht bereits geschehen."

Eigentümer können selbst aktiv werden

Wollen Eigentümer ihnen wichtige Sachen beschließen und voranzubringen, haben sie verschiedene Alternativen.

Eine Option hat der Beirat in der Hand. Diesem Gremium räumt das WEG-Gesetz das Recht zur Einberufung des Eigentümertreffens ein. Dazu muss sich mehr als ein Viertel der Eigentümer hinter den Beirat stellen. Der wird zunächst selbst aktiv, indem er die Miteigentümer über das Vorhaben informiert und um Zustimmung bittet.

Ganz ohne Beirat und Verwaltung kommen Eigentümer ebenfalls an das Ziel Eigentümerversammlung: Grundsätzlich ist die Verwaltung zu deren Einberufung verpflichtet, wenn mehr als 25 Prozent der Wohnungseigentümer dies verlangen.

Umlaufbeschluss erfordert Einstimmigkeit

Eine andere Option, um losgelöst vom WEG-Treffen Beschlüsse zu fassen, ist das Umlaufverfahren. Auf dem Weg können Eigentümer zum Beispiel die Jahresrechnung genehmigen oder kleinere Baumaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Das Verfahren funktioniert so: Die Verwaltung macht einen Beschlussvorschlag, schickt diesen an die Eigentümer und bittet um Stimmabgabe und Rücksendung innerhalb einer bestimmten Frist.

Jeder Eigentümer hat die Möglichkeit, entweder auf Papier oder elektronisch abzustimmen. Im Prinzip erfordert der Umlaufbeschluss Einstimmigkeit, um wirksam zu werden. Die Eigentümer können jedoch vorher festlegen, dass die einfache Mehrheit genügt .

In der Praxis nutzen Verwaltungen und WEG Umlaufbeschlüsse eher selten. "In Ausnahmefällen haben wir auch Umlaufbeschlüssen durchgeführt", sagt Sönke Bergemann, Geschäftsführer des auch als Verwalter tätigen Vereins Haus & Grund Kiel.

Versammeln mit Vollmacht

Bergemann setzte in den vergangenen Pandemiemonaten verstärkt auf eine dritte Option: eine Eigentümerversammlung mit möglichst wenigen Teilnehmern. Die Eigentümer erteilen der Verwaltung oder einem Miteigentümer eine Vollmacht, mit der diese in ihrem Sinne abstimmen.

"Die Vollmachten waren mit Stimmbotschaften versehen, so dass der Wille der Eigentümer berücksichtigt wurde", sagt Bergemann. Theoretisch könnte auf diese Weise eine Präsenz-Versammlung mit nur einem Teilnehmer stattfinden - der Verwaltung. Sofern sie die Vollmachten aller Eigentümer eingesammelt hat.

Literatur:

Ulrike Kirchhoff: "Eigentumswohnung", Beck-Rechtsberater im dtv, 2021, ISBN 978-3-423-51253-4, 24,90 Euro

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