Wenn Tiere musikalisch Einzug in die Selbstquarantäne halten. Christian Werner über das Album „I love you, Honeybear“.

Nach der Dauerpräsenz des langohrigen Ostergetiers der vergangenen Tage stellen wir einen anderen Vertreter vor der, sagen wir mal, etwas mystisch verklärten Fauna, um die Vorstellungskraft in der Selbstquarantäne wieder auf Trab zu bringen: den Honigbären.

Nicht im buchstäblichen Sinn, denn wer hamstert schon Honig, um so einen gemütlichen Gesellen anzulocken? Gut, in Zeiten zwanghafter Klopapiereinlagerung ist vieles bisher Undenkbare möglich. Man benötigt allerdings auch keinen Honigtopf, sondern lediglich eine Möglichkeit zum Musikkonsum.

„I love you, Honeybear“ (Ich liebe dich, Honigbär) hat Father John Misty vor fünf Jahren sein zweites Album genannt. Es geht vorrangig um Liebe, um die wahre, die geerdete, die himmelhochjauchzende sowie die unwillkürlichen Niederungen, die Ernüchterungen, die irgendwann folgen.

Ironie als elementares Stilmittel

Mit Honigbär ist der Kosename für die Liebste oder den Liebsten gemeint. Gewiss, keiner der einfallsreicheren. Aber in der Liebe und in der Pop-Poesie wird derlei sprachliche Profanität gemeinhin schnell verziehen. Und: Lakonische Ironie ist ein elementares Stilmittel des Albums im speziellen und dieses Künstlers im allgemeinen.

Das Cover des Albums „I love you, Honeybear“ von Father John Misty.
Das Cover des Albums „I love you, Honeybear“ von Father John Misty. © Rough Trade Records

Father John Misty heißt eigentlich Josh Tillman und hat mal bei den Fleet Foxes die Trommelstöcke geschwungen. Unter dem Pseudonym veröffentlicht er Musik mit großer Geste: Pathos in der Stimme, raumgreifende Arrangements, gern auch mit Streichern, klanglich beeinflusst vom kalifornischen Soft-Rock der Siebziger, oft legen der Musiker und seine Begleiter noch eine Schippe drauf. Folk-, Country- und Elektronik-Einflüsse gibt es auch.

Garniert sind diese als opulenter Kammerpop angelegten Stücke mal mit schmerzhaft ehrlichen Texten etwa über das Liebesleben des Komponisten und seiner Frau. Mal beißend-ironisch bis zynisch, wie in „Bored in the USA“ (Gelangweilt in den USA) über das Bildungssystem seiner Heimat – nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Springsteen-Song.

Er singt über sich selbst – der Name Josh Tillman taucht sogar in einem Songtitel auf – , aber auch über gesellschaftliche Zustände. Ein herrlich klanglich ausuferndes und inhaltlich egozentrisch wie auch gleichzeitig introvertiertes Album mit gelegentlichem Blick auf die Welt vor der Haustür. Klingt doch beinahe wie ein aktueller Tagesablauf zwischen Selbstbetrachtung und Medienkonsum.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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