Wie vertonte Geschichten aus dem Untergrund zum Start für Künstlerkarrieren wurden. Christian Werner über das Album „Transformer“ von Lou Reed.

Was, wenn David Bowie nicht gewesen wäre? Diese Frage lässt sich vor dem Hintergrund so einiger Lebensläufe stellen und beantworten, auf Fan- wie auf Künstlerseite. Insofern scheint sie rhetorischer Natur, im Fall von Lou Reed ist sie das aber ganz und gar nicht.

Seine Karriere sowie sein Platz in der Pop-Historie wären ohne Bowie und seinen Einsatz für Reeds zweites Album „Transformer“ von 1972 vermutlich andere. Das erste Solo-Album sollte den New Yorker Musiker eigentlich von seiner früheren Band Velvet Underground emanzipieren, floppte aber.

Bowie, ein Verehrer der Gruppe, nahm Reed in England mit auf die Bühne und gestaltete mit seinem damaligen Hausproduzenten Mick Ronson die Aufnahme der Platte. Mit Erfolg: Das Album, das diese Kollaboration hervor brachte, wirkt wie ein Best of der frühen Jahre.

Songs durch Cover-Versionen oder Film bekannt

Viele der Songs, die zum Teil aus Velvet-Underground-Tagen stammten und zum Teil neu waren, avancierten über die Jahrzehnte zu Klassikern. Etwa „Perfect Day“, das erst durch etliche Cover-Versionen und die Verwendung in dem Film „Trainspotting“ zu spätem Ruhm gelangte. Reed selbst hatte den Song nie zur Hitwerdung freigegeben. Die einzige Nähe einer Hitparade erfuhr das Stück lediglich als B-Seite der Single „Walk on the wild Side“, das ebenfalls auf „Transformer“ vertreten und ein Schlüsselsong des Albums ist.

Das Cover des Albums „Transformer“ von Lou Reed.
Das Cover des Albums „Transformer“ von Lou Reed. © RCA / Sony

Inhaltlich bot Lou Reed den damaligen Underdogs der Gesellschaft eine Bühne: Huren, Stricher, Junkies sowie Transvestiten bevölkern den Songreigen und posieren auf der Rückseite des Albumcovers. Auch sexuelle Handlungen und andere – für einstige Verhältnisse – Obszönitäten gehören zum bunten Kosmos von „Transformer“.

Trotz der ungewöhnlichen inhaltlichen Kost ist das Album musikalisch das zugänglichste unter den zugänglicheren des Musikers. Es fungierte zudem als Initialzündung für andere Künstler-Seelen, wie bei U2-Sänger Bono, der mit dem beginnenden Teenageralter das erste Mal die Nadel aufs Vinyl setzte und Stunden vor dem Plattenteller verbrachte.

Somit knüpft Reed bei allem Abkopplungsgebaren von seiner ehemalige Band ungewollt an ihren Nimbus an: Die Alben von Velvet Underground waren zur Zeit ihrer Veröffentlichung alles andere als Verkaufsschlager. Aber ihre langfristige Wirkung auf die Gründung von Bands und Musikerkarrieren ist nicht in Absatzzahlen messbar.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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