Brüssel. Mit neuen Vorschriften für Fahrzeuge will die EU ab 2022 die Straßen sicherer machen. Das wirkt sich auch auf den Verbraucherpreis aus.

Autofahrer in Deutschland und der EU werden sich unterwegs bald weniger allein fühlen. Dafür sorgen eine Reihe von elektronischen Aufpassern, die künftig zur Sicherheit stets mit an Bord sein müssen: Sensoren, die Alarm schlagen, wenn der Fahrer müde ist. Bei Tempoverstößen reduziert ein „Assistent“ die Motorleistung, ein anderes Gerät warnt vor versehentlichen Spurwechseln.

All diese Kontrollsysteme schreibt ein neues EU-Gesetz zwingend für neue Autos vor. Darauf haben sich EU-Parlament und der Rat der EU-Staaten schon verständigt, am Dienstag segnete der zuständige Wirtschaftsausschuss des Parlaments die Einigung ab. Die Vorschriften gelten ab 2022 für neu entwickelte Fahrzeuge, ab 2024 für alle Neuwagen in der EU.

Vorrangiges Ziel ist zwar eine höhere Verkehrssicherheit, jährlich sollen rund 2000 Menschen weniger auf den Straßen ums Leben kommen. Doch im Kleingedruckten macht die EU-Kommission keinen Hehl daraus, dass es um mehr geht: Autofahrer in Europa sollen auf die neue Ära des autonomen Fahrens vorbereitet werden.

Die elektronischen Kontrollsysteme sollen „die Akzeptanz automatisierter Fahrzeuge verbessern und das Vertrauen der Öffentlichkeit stärken, um den Übergang zum autonomen Fahren zu erleichtern.“ Diese Vorschriften sollen für Pkw und teilweise auch für Lkw und Busse gelten:

Geschwindigkeitsassistent: Dieses System erkennt anhand digitaler Karten und der Verkehrsschilder, wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten wird. Dann wird die Motorleistung reduziert, Warnsignale ermahnen den Fahrer. Dass damit Raser künftig gestoppt werden können, ist jedoch unwahrscheinlich. Über das Gaspedal soll der Fahrer das System korrigieren und – zum Beispiel beim Überholmanöver – die Geschwindigkeit wieder erhöhen können. Das System muss zwar bei jedem Neustart des Autos aktiv sein. Aber das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass der Fahrer die Tempoüberwachung abschalten kann – anders als die EU-Kommission es ursprünglich wollte. Experten warnen, die Fehlerquote der Geräte sei noch zu hoch.

Alcolock: In allen neuen Fahrzeugen wird eine Vorrichtung zur Installation von Alkohol-Kontrollgeräten vorgeschrieben. Die Geräte messen den Alkoholgehalt im Atem. Liegt der über dem Grenzwert, bleibt der Motor aus. Der Alcolock selbst wird nicht Pflicht, nur die Schnittstelle.

Notbremssystem: Das Fahrzeug bremst automatisch voll ab, wenn es Hindernisse erkennt. Das System gibt es bereits in Lkw und vielen neuen Pkw, sie verhindern vor allem Auffahrunfälle.

Spurhalteassistent: Dieses System greift ein, wenn der Fahrer versehentlich von der Spur oder gar von der Fahrbahn abkommt.

Unfallbox: Wie beim Flugzeug erhält jedes Auto eine Blackbox, die die Daten vor und während eines Verkehrsunfalls speichert. Das Gerät kann nicht abgeschaltet werden. Aber die Daten sollen nur anonymisiert von Behörden der EU-Staaten zur Unfall-Forschung verwendet werden können. Ist darauf Verlass? „Die Daten nach einem Unfall auch zur Beweissicherung gegen den Fahrer zu verwenden, wäre ein Verstoß gegen den Datenschutz und damit unzulässig“, erklärt ein Sprecher des ADAC.

Müdigkeitserkennung und Ablenkungswarner: Sensoren überwachen den Fahrer und erkennen, wenn er müde oder etwa durch Smartphone-Nutzung abgelenkt ist. Dann schlagen sie Alarm.

Rückwärts-Erkennung: Mit Kamera oder Sensoren werden Fahrer beim Rückwärtsfahren auf Personen und Gegenstände hingewiesen.

Abbiegeassistent: Für neue Lkw und Busse werden Abbiegeassistenten vorgeschrieben, die schwere Unfälle mit Radfahrern und Fußgängern im toten Winkel verhindern sollen.

Jährlich sterben in Europa 25.000 Menschen bei Verkehrsunfällen

Teile der Sicherheitsausstattung werden bereits für neue Pkw angeboten, vor allem in der Oberklasse. Andere Systeme seien in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, versichert die Autoindustrie.

EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska verspricht sich „eine ähnlich große Wirkung wie seinerzeit mit der Einführung des ersten Sicherheitsgurtes“. Die meisten Unfälle seien auf menschliches Versagen zurückzuführen. Jährlich sterben 25.000 Menschen auf Europas Straßen.

Die neue Technik wird die Autobauer nach Schätzungen der Kommission rund 50 Milliarden Euro kosten. Auch für Autokäufer wird die Sicherheit damit ihren Preis haben. Zur Höhe lasse sich noch nichts sagen, versichern Hersteller ebenso wie etwa der ADAC. Doch nach früheren Gutachten der EU-Kommission könnten die Auflagen pro Fahrzeug schnell um die tausend Euro kosten, nach einigen Expertisen auch mehr. Auch Reparaturen werden teurer.

Der ADAC mahnt schon, die neuen Systeme müssten ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen.