Amsterdam. Erst wurden Touristentouren verboten, jetzt sollen in Amsterdams berühmtem Stadtteil „De Wallen“ die Bordelle verschwinden.

Vom Hauptbahnhof sind es nur wenige Gehminuten. „De Wallen“ nennen die Niederländer das Rotlichtviertel im Herzen ihrer Hauptstadt – es ist nicht nur das älteste, sondern das bei Touristen angesagteste Viertel Amsterdams.

Rechts und links der Grachten liegen die vier- bis fünfgeschossigen Backsteinhäuschen mit den berühmten Schaufenstern, darin sitzen rund um die Uhr Prostituierte und warten auf Kundschaft. 330 dieser Fenster gibt es in den Wallen, erleuchtet von bunten Neonlichtern.

Jährlich kommen um die 20 Millionen Besucher aus aller Welt nach Amsterdam – auch um einen Blick auf die spärlich bekleideten Damen zu erhaschen. Doch damit könnte es schon bald vorbei sein. Eine Frau hat der sündigen Meile den Kampf angesagt: Femke Halsema.

Die 53-jährige Grünen-Politikerin wurde vor einem Jahr zur ersten weiblichen Bürgermeisterin der 860.000-Einwohner-Stadt gewählt und macht sich schon länger öffentlich Gedanken um die Zukunft der Wallen. Nun sagt sie: „Die traditionelle Sexarbeit mit Lizenz ist in Amsterdam durch die wachsenden Touristenzahlen unter Druck geraten.“ Sie schlägt vor, das Rotlichtviertel zu verlagern. Weg aus dem Zentrum, an den Stadtrand.

Denn die Wallen seien mittlerweile derart überlaufen, dass die Menschenmassen zum Problem geworden seien: „Für viele Besucher sind die Sexarbeiterinnen nicht mehr als eine Attraktion, die sie sich anschauen.“ Auch die Anwohner sind genervt. Man müsse es daher wagen, „über ein Rotlichtviertel ohne Prostitution nachzudenken“.

Frauen werden ausgelacht und abfotografiert

Die Stadt hat bereits im Frühjahr geführte Touristentouren in das Viertel verboten. Woran sich die Liebesdienerinnen, die ihre Dienstleistungen oft zum Standardtarif ab 50 Euro anbieten, stören: Ein Besuch in den Wallen gehört zwar für die meisten Amsterdam-Besucher zum Pflichtprogramm.

Ein Besuch bei einer der Prostituierten allerdings nicht unbedingt, die meisten Touristen wollen nur mal schauen. „Kijken, kijken, maar niet kopen“ nennen die Niederländer dieses Vorgehen augenrollend: ,,Gucken, gucken, aber nicht kaufen.‘‘ Femke Hal­sema will noch diesen Monat mit Einwohnern, Sexarbeiterinnen und Unternehmen über ihre Vorschläge sprechen.

Ihr schwebt vor, die Bordelle zu verlegen. Dadurch würde sich der Stadtkern nachhaltig verändern, einer der bekanntesten Orte Amsterdams wäre auf einen Schlag Geschichte. Halsema findet das in Ordnung. „Eine lange Zeit waren es Seefahrer, die nach Monaten auf dem Schiff zu den beleibten, niederländischen Frauen ins Rotlichtviertel kamen“, erklärt sie.

Inzwischen arbeiteten dort hauptsächlich ausländische Frauen, von denen man gar nicht wisse, wie sie in Amsterdam gelandet seien, die ausgelacht und fotografiert würden. Lobbygruppen protestieren gegen die Pläne. Die Organisation Red Light United etwa argumentiert: „Dann wissen die Kunden ja gar nicht mehr, wo sie die Sexarbeiterinnen finden.“ Die Gruppe habe 170 Prostituierte befragt, 90 Prozent von ihnen wollten in den engen Innenstadtgassen bleiben.

Bewahrer des Status quo hoffen deshalb, dass es nicht so arg kommt. Hal­sema hat noch weitere Vorschläge gemacht. In einer zweiten, weniger radikalen Variante würde nur die Fensterprostitution verboten werden. Die Frauen dürften sich demnach nicht mehr in den Fenstern anbieten, die Kontaktaufnahme müsste hinter vorgezogenen Vorhängen stattfinden.

Eine Entscheidung darüber, wie das Geschäft mit dem Sex in Amsterdam künftig organisiert wird und ob der weltberühmte Rotlichtbezirk tatsächlich geschlossen wird, will der grün-linke Stadtrat nach der Sommerpause im September treffen. Bis dahin können die vielen Touristen noch ihre neugierigen Blicke auf die Damen hinter den Fenstern werfen. Aber bitte keine Fotos machen. Das ist nämlich verboten. Es halten sich nur nicht alle daran.